Friedrichshafen – Uwe Barkmann ist sauer. Seit über einer Woche wird er – wie andere Anwohner der Paulinenstraße – nachts um den Schlaf gebracht. Da ist der Baulärm, der von den Bahngleisen gegenüber durch die Fenster dringt, für ihn am unerträglichsten. „Besonders schlimm ist das, weil die Bauarbeiten Tag und Nacht, sogar samstags und sonntags durchgeführt werden, also seit über einer Woche quasi ununterbrochen“, schrieb er unserer Zeitung am Mittwoch um 22.46 Uhr während des „Spektakels“ draußen. „Dieser andauernde Lärm ist absolut unerträglich und unzumutbar“, hält er das Vorgehen für eine Frechheit. Kein anderer Bauherr dürfe sich das leisten.

Die Bahn AG darf das. „Für die derzeitigen Gleisarbeiten in Friedrichshafen hat das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) die Sondergenehmigung erteilt“, teilt Andrea Kreuzer von der städtischen Pressestelle auf Anfrage ihren Informationsstand mit. Die Stadt wurde nicht angefragt. Und die Nachtarbeit sei zulässig, wenn die Lärmschutzwerte eingehalten werden, so Kreuzer. Überprüfen müsse das ebenfalls das EBA.

Baulärm nachts in Grenzen erlaubt

Das allerdings teilte gestern mit: „Reine Instandhaltungsarbeiten – hierzu zählt auch der Austausch von Gleisen und Weichen – sind grundsätzlich nicht genehmigungsbedürftig.“ Auch die Nachtarbeiten sind gesetzlich legitimiert. Hier profitiert die Bahn von einer Verordnung des Bundes zum Immissionsschutzgesetz. Danach ist es eigentlich untersagt, Geräte und Maschinen an Sonn- und Feiertagen ganztägig sowie an Werktagen in der Zeit von 20 bis 7 Uhr zu betreiben. In dieser Zeit darf also kein Baulärm erzeugt werden. Die Verordnung gilt jedoch ausdrücklich nicht für Bundesfernstraßen und Schienenwege der Eisenbahn, auch wenn sie durch Wohngebiete führen.

Fakt ist aber, dass sich auch die Bahn an den gesetzlichen Lärmschutz halten muss. Der ist unter anderem in der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm“, kurz AVV Baulärm, geregelt, erklärt das Eisenbahn-Bundesamt. Tagsüber gilt ein Grenzwert von 60 Dezibel (dB) und nachts – also von 20 bis 7 Uhr – von 45 dB. Das zu überwachen, ist Aufgabe des EBA. Und dass die Behörde Lärmschutz-Auflagen macht, ist dokumentiert. So hat das EBA für Arbeiten an den Bahnsteigen am Haltepunkt Reichenau verfügt, dass „zum Schutz der Anwohner vor Baulärm schallabsorbierende mobile Lärmschutzwandelemente mit einer Höhe von 3,5 Meter in unmittelbarer Nähe zu den Lärmquellen aufzustellen“ sind. Außerdem seien die betroffenen Anwohner „regelmäßig und rechtzeitig über lärm- und erschütterungsintensive Bauarbeiten zu unterrichten“. Darüber hinaus müsse ein konkreter Ansprechpartner und dessen Erreichbarkeit benannt werden.

In Friedrichshafen gibt es weder Lärmschutzwände noch hat Uwe Barkmann vorab Post von der Bahn bekommen. Auch ein Anwohner des Hafenbahnhofs, der am 20. März um zwei Uhr nachts wütend seine Beschwerde wegen des Baulärms auf dem städtischen Internetportal „sag‘s doch“ platziert hat, wurde zuvor nicht informiert, obwohl laut einem Stuttgarter Bahnsprecher die Anwohner vorher ein Einwurfschreiben erhalten hätten.

„Wir müssen das so machen, um das möglichst schnell zu schaffen“, bittet er bei den Anwohnern um Verständnis und Entschuldigung. Immerhin würden die Gleise und Weichen hier komplett erneuert und so neun Millionen Euro in die Gleisanlagen (einschließlich Lindau) investiert. Derzeit laufen die Bauarbeiten im Kreuzungsbereich von drei Strecken mitten in Friedrichshafen, und die seien „sehr aufwändig“. Der damit einhergehende Lärm sei leider nicht zu vermeiden – auch nachts nicht, weil man für die Gleiserneuerung längere Sperrpausen brauche, in denen kein Zug fährt. Über Ostern würden die Arbeiten nur eingeschränkt fortgesetzt, sodass sich die Lärmbelastung zumindest dann in Grenzen halte, verspricht der Bahnsprecher. Die Gleisbauarbeiten selbst werden allerdings noch bis zum 6. Mai gehen.