Eine junge Frau lässt sich am späten Abend auf die weiße, flauschige Bank fallen. "Ob das im Sinne des Künstlers ist?", fragt sie, als sie sich ausstreckt. "Es geht doch um Freiheit, die Freiheit kannst du dir nehmen", sagt ihr Begleiter. Der japanische Künstler und Aktivist Yoshiaki Kaihatsu hat in der Zeppelin-Universität (ZU) eine "Insel der Freiheit" gebaut: eine Art Wohnzimmer, komplett mit künstlichem Eisbärenfell ausgekleidet und mit Rednerpult in einer verspiegelten Ecke.
Fotografien der Aktionen Kaihatsus regen gleich am ersten Abend Diskussionen an. "Ich würde Bogenhausen auf mein Plakat schreiben, nur so als Provokation", sagt ein Besucher und wird gefragt: "Wieso?" Bogenhausen sei doch nur ein versnobter Stadtteil von München. "So als Provokation", lautet die Erklärung. "Provokation aus Prinzip ist doch auch blöd", sagt ein anderer Besucher.

Energie aus Pflanzenfarbstoffen
Die ZU ist eine von acht Stationen, die am 34. Kunstfreitag einen Eindruck von der Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen geben. Im Turmatelier zeigt Franz John, wie er aus Pflanzenfarbstoffen die Solarzellen für seine Lichtinstallationen baut. Ein Elektromotor surrt, gespeist von einer kleinen Zelle unter einer Tageslichtlampe. Am Bodensee wird John mit Tettnanger Hopfen experimentieren.

Bilder voller Kraft und Lebensfreude
Mitglieder des Kunstvereins haben auf je einem Quadrat- oder Kubikmeter Bilder, Fotos oder Skulpturen geschaffen oder zum Ausgangspunkt für Aktionen gemacht.
Die Plattform 3/3 zeigt "One Thousand Colours", eine gemeinsame Ausstellung von Alma Göring und Carla Chlebarov. Bilder voll Kraft und Lebensfreude erzählen von "Florida", "Wolke Sieben" oder dem "Tree o´clock blues".

Wenige Pinselstriche stellen Bambus, Seide und Figuren dar
Höchste Konzentration und klare Schönheit begegnen in den Bildern von Hyun-Sook Song, die die Galerie Bernd Lutze präsentiert. Sie heißen "4 Pinselstriche" oder auch "8 Pinselstriche". So präzise sind Farbauftrag, Ansatz, Bewegung und Komposition, dass der Künstlerin aus Südkorea mit wenigen Pinselstrichen die Darstellung von Bambus, Seide, Töpfen oder Figuren gelingt.

Duo "Weisser Westen" stellt poetische Fragen an das Leben
Den Abend eröffnet "Weisser Westen" aus Düsseldorf alias Angela Fette und Philipp Schulze. Das als futuristische Wesen ausstaffierte Künstlerduo hat sich Zeppelin-Kopfputze gebaut, der eine in bedenklichem Winkel aufsetzend. Vor teils surrealen Videos stellen sie poetische Fragen an das Leben, begleitet von strengem Elektropop.
Der "Leviathan", getarnt als Volkes Wille, fordert Geld, Glauben und Gehorsam, "damit es sich lohnt". Dem Helden "Zeppelin" stellen sie die Heldin "Zeppeline" an die Seite, die um die "Erdin" fährt und den Bodensee kommentieren sie fast wortlos mit Gesang und unscharf waberndem Blau. Später laden auf der Bühne "The Real Mob" zu jazzigen Pausen zwischen weiteren Ausstellungen und Führungen, etwa in Zeppelin-Museum oder Artothek.
Weitere Eindrücke vom 34. Kunstfreitag in Friedrichshafen




Was bleibt
Viele Ausstellugen bleiben für Besucher geöffnet: Yoshiaki Kaihatsus "Insel der Freiheit" ist bis 10. Mai täglich bespielbar. Das Zeppelin Museum zeigt "Ideal Standard" bis 28. April, "Aufbruch ins Unbekannte" bis 12. Mai und "Eigentum verpflichtet" bis 6. Januar 2020. "einmaleins(maleins)" im Kunstverein läuft bis 14. April, "One Thousand Colours" in der Plattform 3/3 bis 24. März, Hyun-Sook Song in der Galerie Bernd Lutze bis 30. März. (cor)