Mit einem gelungenen neuen Haarschnitt fühlt man sich gleich wieder wohler in seiner Haut – vor allem wenn der vorige Schnitt schon ziemlich lange her ist. Nicht jeder kann sich das beim Profi leisten – allerdings gibt es Profis, die bedürftigen Menschen ehrenamtlich die Haare schneiden. Fünf von ihnen waren jüngst zum ersten Mal in der Häfler Obdachlosenunterkunft K7 in der Keplerstraße im Einsatz. Sie gehören zur "Barber Angels Brotherhood", was sich mit Bruderschaft der Friseur- oder auch Barbier-Engel übersetzen lässt.

Erster Einsatz in Häfler Obdachlosenunterkunft

Den Kontakt zu den immer wieder ehrenamtlich arbeitenden Friseuren hat Sozialarbeiter Florian Nägele hergestellt. "Ein Kollege hat im Fernsehen einen Beitrag über die Barber Angels gesehen und hatte daraufhin die Idee, dass wir sie ins K7 einladen könnten", erzählt er. "Als wir auf sie zugegangen sind, waren sie genauso begeistert wie wir von dieser Idee."

Mit einem Motorradclub haben sie nichts zu tun

Nicole Rieder betreibt einen Friseursalon in Friedrichshafen und ist Mitglied des 2016 gegründeten Vereins. "Mir geht es gut und ich wollte schon immer etwas für Menschen tun, denen es nicht so gut geht – aus Nächstenliebe", sagt sie zu ihrer Motivation. Von der Vereinigung habe sie durch einen Beitrag im Fernsehen und im Internet erfahren. Zunächst sei sie als Gast bei einem Einsatz dabei gewesen und anschließend Mitglied geworden. Wie alle Barber Angels ist Nicole Rieder im Einsatz schwarz gekleidet und trägt eine Lederweste, die an die Kutten der Mitglieder von Motorradclubs erinnert. "Wir haben aber nicht mit einem Motorradclub zu tun, wir tragen sie wegen des Wiedererkennungswertes", erklärt Rieder. Stilecht prangt auf der Weste das Abzeichen der Barber Angels. Es kombiniert Engelsflügel, Kamm, Schere und Barbiermesser. "Sie wirken schon ziemlich cool in diesen Kutten", beschreibt Nägele.

Sie mögen in ihren Lederwesten auf den ersten Blick wie ein Motorradclub wirken, zum Gruppenbild versammelt haben sich hier aber ...
Sie mögen in ihren Lederwesten auf den ersten Blick wie ein Motorradclub wirken, zum Gruppenbild versammelt haben sich hier aber Friseure, die die Barber Angels Brotherhood bilden. | Bild: Ulrich Klob

"Mir macht es viel Freude, die Menschen, denen wir die Haare geschnitten haben, glücklich und dankbar zu sehen", beschreibt Rieder. Etwa einmal im Monat sei sie im Einsatz, früher deutschlandweit. "Inzwischen sind wir überall im Land gut vertreten, sodass ich jetzt vor allem im Süden von Baden-Württemberg unterwegs bin. Aber wenn ich anderswo gebraucht werde, fahre ich auch dorthin." Laut eigener Webseite hat der Verein inzwischen rund 270 Mitglieder. Nicole Rieder kennt viele von ihnen und sagt: "Wir verstehen uns sehr gut und wir haben ja auch alle das gleiche Ziel: Die Welt für arme Menschen ein bisschen schöner zu machen."

30 Bewohner der Obdachlosenunterkunft nehmen das Angebot an

In Friedrichshafen nahmen 30 Bewohner der Obdachlosenunterkunft das Angebot an – etwa jeder Dritte. "Man darf nicht unterschätzen, dass es ja auch eine intime Sache ist, sich von einem Fremden die Haare schneiden zu lassen", erklärt Florian Nägele dazu und ergänzt: "Die Zahl der Teilnehmer empfinde ich als großen Erfolg." Im Aufenthaltsraum der Unterkunft sei aus der Aktion ein sehr schönes Gemeinschaftserlebnis geworden. "Ich war schon beeindruckt, wie die teilnehmenden Bewohner es genossen haben – bis hin zur Kopfmassage", berichtet der Sozialarbeiter weiter. Er ist sich sicher: "Das sollte keine einmalige Geschichte werden. Wir werden die Barber Angels künftig öfter einladen."