Eine Vielzahl von Veranstaltungen hat die Geschichte Daisendorfs von unterschiedlicher Seite her ins Licht gerückt und neue dorfgeschichtliche Erkenntnisse aus unterschiedlichen Epochen zutage gefördert. Dazu gehört etwa die Wiederentdeckung des dörflichen Wohltäters Hugo Landauer, der demnächst mit einer Gedenktafel geehrt werden soll.

Im Gespräch hebt Jacqueline Bürgermeisterin Alberti hervor, dass das 900-jährige Jubiläum mit seiner gemeindehistorischen Arbeit das Identitätsgefühl der Bürger gestärkt habe. Nach den pandemiebedingten Einschränkungen der Kommunikation im Dorf sei inzwischen das Gespräch untereinander wieder in Gang gekommen. Auf der Erfolgsseite ihrer Rückschau auf das Jahr 2022 steht auch die kreditfrei finanzierte Anschaffung des Multifunktionsfahrzeugs für den Bauhof.

Das miteinander reden sei auch die Voraussetzung für die erhoffte Bürgerbeteiligung zur baurechtlichen Neuordnung der Ortsmitte, die vom Gemeinderat im laufenden Jahr mit ersten Planungsschritten angestoßen wurde und im Jahr 2023 zügig vorangetrieben werden soll. „Da geht es auch um das emotionale Zentrum des Dorfes“, sagt Alberti. Ohne die intensive Anteilnahme der Bürger werde man das Projekt kaum konfliktfrei entwickeln können. Zumal aufgrund von Betroffenheiten mehrerer Gemeinderäte nur fünf Räte abstimmungsberechtigt sind. Umso wichtiger sei es, Entwürfe und Entscheidungen auf eine möglichst breite Mitte der Bevölkerung zu stellen. Am 10. Januar kümmert sich eine Bürgerwerkstatt intensiv um das Thema, eine Bürgerversammlung ist für den 20. Januar vorgesehen. Ein fertiger städtebaulicher Entwurf soll zum Jahresende vorliegen.

Alberti will 2024 wieder antreten

Die persönliche Bilanz von Bürgermeisterin Jacqueline Alberti für das Jahr 2022 fällt gemischt aus. Allerdings schlägt Negatives nicht so stark zu Buche, dass sie etwa amtsmüde geworden wäre. „Nein“, erklärt die Volljuristin, „ich kann mir durchaus vorstellen, mich im Jahr 2024 erneut um das Amt zu bewerben“. Dennoch habe sie sich in den ersten Jahren nach ihrer Wahl 2017 nicht vorstellen können, wie sehr sich die diversen Krisen – Corona, Krieg, Klima, Flüchtlinge, Energie, Inflation – in ihren Arbeitsalltag eingraben würden. „Wir waren nur noch am Feuerlöschen“, erinnert sie sich. Eine Notlage folgte der nächsten. Personalengpässe im Rathaus erschwerten die Situation zusätzlich. Als Kommune besetze man nun einmal das untere Ende der Anordnungskette und habe konkret vor Ort handelnd umzusetzen, was auf Bundes- und Landesebene mit immer komplexer werdenden Regeln alles vorgegeben werde. Und da man sich im kleinen Daisendorfer Rathaus kaum arbeitsteilig organisieren könne, habe sich die Bürgermeisterin oft als „Mädchen für alles“ erlebt. Ohne die unkomplizierte, oft spontane Unterstützung von Bauhof und Feuerwehr und ohne das Mitziehen des Gemeinderats wäre manches nicht umzusetzen gewesen. Auch die Zusammenarbeit mit Kreisverwaltung und Gemeindetag sei im Wesentlichen hilfreich gewesen.

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Erst seit dem Abklingen der Pandemie habe sich im Jubiläumsjahr 2022 so langsam wieder mehr Normalität eingestellt. Das Wir-Gefühl der Gemeinde wurde gestärkt. Die Dinge zu gestalten, das sei es, was ihren Beruf so attraktiv mache, betont Alberti. Und diese Gestaltungsmöglichkeiten habe sie sich langsam wieder zurückerobert. Das betrifft vor allem die Überplanung des Ortskerns, aber auch einige unvollendete Projekte wie die Fertigstellung der Freizeitanlage am Ortsrand mit Spielbereich und Tennisplatz sowie allerhand Straßensanierungen. Zwar sei die Lage mit Blick auf die Entwicklung der Flüchtlingszahlen und die Energieknappheit nach wie vor nicht planbar, aber insgesamt sei man bisher „mit einem blauen Auge davongekommen“.

In ihrer nun fünfjährigen Tätigkeit als Bürgermeisterin habe Alberti mancherlei individuelle Rückschlüsse gezogen: „Nicht auf Biegen und Brechen mehr erreichen wollen, als möglich ist; die Spielräume nutzen, auch wenn sie klein sind; nicht alles auf die persönliche Ebene lassen“, sind Lehren, die sie sich ins Tagebuch notiert hat. Dass sie nach wie vor die einzige Frau ist, die im Kreis ein Bürgermeisteramt innehat, spiele im Alltag keine Rolle mehr. Gab es im Wahlkampf und in der Zeit danach noch kleinere Empfindlichkeiten, so sei das inzwischen völliger Normalität gewichen. Ihr Umgang mit dem Thema sei pragmatisch, sie weigere sich, „alles auf die Goldwaage zu legen“. Beim Gendern mache sie niemandem Vorschriften, noch halte sie sich selbst an welche. Für ihr Amt müsse man menschlich und fachlich geeignet sein, unabhängig von sachfremden Zuschreibungen. Da sie in den Sozialen Medien nicht aktiv sei, habe sie auch noch keine Anfeindungen erlebt, weder als Frau noch als Amtsverantwortliche.

„Unser Glas ist doch immer mindestens halb voll“

Solchen positiven Pragmatismus möchte sie auch ihren Daisendorfern für das kommende Jahr nahelegen. Bei allen Schwierigkeiten, die sich demnächst sicher noch zeigen werden, sollte man sich doch stets der relativ vorteilhaften Lage bewusst sein, die man hier im Unterschied zu anderen Weltwinkeln und Betroffenen genießen könne. Kritik, Beschwerden und Ansprüche hätten ihre Berechtigung, aber man dürfe dabei das größere Ganze nicht aus dem Blick verlieren. „Unser Glas ist doch immer mindestens halb voll“, fasst sie zusammen. Gerade so ein überschaubares Dorf böte beste Voraussetzungen, die anderen in ihren Besonderheiten und Problemen wahrzunehmen. Darauf, so Albert, habe sie sich bei ihren Bürgern allerdings stets verlassen können. Das möge, so ihr Wunsch, im Alltag erhalten bleiben, auch wenn die Krisen einmal etwas aus dem Fokus der Medien verschwunden seien.