Aufnahmestopps, lange Wartezeiten, wenig Termine: Die medizinische Versorgung am Bodensee verschlechtert sich seit Jahren. Allein im Bodenseekreis sind 12,5 Sitze für Allgemeinmediziner unbesetzt. Auch im Kreis Konstanz und bei den österreichischen Nachbarn sieht die Situation nicht besser aus.
„In knapp sieben Jahren, im Jahr 2030, werden rund 30 Prozent der derzeitig aktiven Ärztinnen und Ärzte das Pensionsalter erreicht haben“, schreibt die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) in einem Antrag an den Vorarlberger Landtag, der dem SÜDKURIER vorliegt. Die Oppositionspartei hat ein klares Ziel: Sie will eine Medizin-Uni in Vorarlberg einrichten.
„Leider fehlt es in Österreich an ausreichend Ausbildungsplätzen für Medizinstudierende. Vor allem Voralbergerinnen und Vorarlberger sind dazu gezwungen, in andere Bundesländer oder Länder zu übersiedeln, um einen der begehrten Studienplätze zu ergattern“, heißt es in dem Antrag, der bereits eingebracht wurde und Mitte Dezember im Vorarlberger Landtag debattiert werden wird. Bekommt der Antrag die Mehrheit, könnte es bald die erste medizinische Universität in der Bodenseeregion geben.
SPÖ: Private Medizin-Uni wie in Salzburg
Die Forderung der SPÖ: Das Land Vorarlberg soll – ähnlich wie in Salzburg – eine „private Medi-Uni“ einführen. Die Konzepte für eine solche Uni, so die SPÖ, lägen schon seit zehn Jahren auf dem Tisch der Landesregierung. Eine Potenzialanalyse habe bereits 2013 ergeben, dass mit einer eigenen Ausbildungsstätte und etwa 30 Jungärzten pro Jahr zumindest Pensionierungen und Abgänge ausgeglichen werden könnten. „Bei einer Studiendauer von rund fünf Jahren hat die Landesregierung seit 2013 somit auf rund 150 eigens ausgebildete Nachwuchsärztinnen und -ärzte verzichtet“, resümiert die SPÖ.

Die Planungen für einen möglichen Standort einer solchen Medizin-Uni scheinen schon konkreter zu sein. Wie Vorarlberg Online berichtet, gebe es bereits Gespräche über ein Areal in Hard, das sich nahtlos an Bregenz anschließt. Der Harder Bürgermeister Martin Staudinger sagt auf SÜDKURIER-Nachfrage: „Für Hard als Standort kommt beispielsweise das Schoeller-Areal, im Volksmund noch Kammgarn-Areal, in Frage, da hier sehr viel Fläche und Raum frei wird, der sowieso für eine neue Nutzung entwickelt werden muss, da die dortige Garnproduktion nach Polen verlagert wird.“ Dabei verweist er auf die Uni Liechtenstein, die ebenfalls auf einem ehemaligen Industriegelände liegt. „Eine medizinische Fakultät wäre für Vorarlberg sicher eine Bereicherung“, so Staudinger.
„Chance zur landesübergreifenden Uni“
Die internationale Lage am Bodensee biete auch die Chance, eine landesübergreifende Uni zu errichten, die dann auch die Nachbarn mit Ärzten bediene, meint der Harder Bürgermeister. „Das jeweilige Herkunftsland könnte ja mit ihren Studierenden eine Vereinbarung treffen, dass die Finanzierung der Uni umgekehrt daran geknüpft ist, im Herkunftsland dann auch als öffentlicher Arzt zu arbeiten“, betont Staudinger.
Laut einer EU-Richtlinie sind Absolventen des österreichischen Medizinstudiums allerdings ohnehin deutschen Studienabsolventen gleichgestellt – und damit approbationsfähig. Die Approbation ist quasi die Berufserlaubnis von Ärzten und wird von den Regierungspräsidien erteilt.

Warum gibt es keine deutsche Medizin-Uni am See?
Auch in Deutschland werden immer wieder Stimmen laut, die mehr Studienplätze in Humanmedizin fordern. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach zuletzt von 5000 zusätzlichen Plätzen, die benötigt werden würden, um dem Bedarf gerecht zu werden.
Schaut man auf die Hochschullandschaft am Bodensee, fällt der Blick zuerst auf die Universität Konstanz. Ist hier möglicherweise eine medizinische Fakultät geplant? Oberbürgermeister Uli Burchardt verneint: „Im Forschungs- und Lehrprofil der Universität Konstanz gibt es einige klinische Kooperationen im Bereich Gesundheit, zum Beispiel in der Psychologie oder in der Biologie. Die Einrichtung eines Fachbereichs Medizin an der Universität Konstanz ist nicht geplant.“ Man habe den Standort zwar jederzeit im Blick, grundsätzlich würden Entscheidungen dieser Art allerdings nicht an einzelnen Hochschulstandorten getroffen, sondern obliegen der Zuständigkeit des Landes.