Bereits kurz nach der ernüchternden Entscheidung im Überlinger Gemeinderat blickt Lothar Wölfle schon wieder voraus. "Dann starten wir eben nur mit vier Gemeinden", sagt der Landrat und meint die Einführung der Echt-Bodensee-Card (EBC) im kommenden Jahr. Nachdem sich die Gemeinden Überlingen und Salem in der vergangenen Woche gegen eine Teilnahme entschieden haben, und Uhldingen-Mühlhofen die Karte frühestens 2018 einführen will, haben mit Bodman-Ludwigshafen, Sipplingen, Eriskirch und Langenargen bislang nur vier Gemeinden ihre Teilnahme ab 2017 zugesagt. Ab 2018 werden zudem Heiligenberg und Frickingen hinzukommen. Hagnau wird im Herbst entscheiden.

Wie geht es mit der Gästekarte nun weiter? Klar ist, dass dem Projekt ohne das Mitwirken von Überlingen, Salem und Uhldingen-Mühlhofen nicht nur drei attraktive Orte, sondern auch wichtige Gelder fehlen, die nach den Absichtserklärungen der drei Gemeinden zur Teilnahme bereits fest eingeplant waren. "Der Businessplan muss jetzt wohl gestreckt werden. Wir brauchen jetzt eventuell ein Jahr länger", sagt Wölfle, der nach wie vor vom Erfolg der Karte "felsenfest überzeugt" ist. Grund für seinen Optimismus sei die eigene Erfahrung: In seiner Zeit als Bürgermeister der Stadt Trossingen und Vorsitzender des Regionalverbands Schwarzwald-Baar-Heuberg hat er die Einführung der der EBC-ähnlichen Konuskarte im Schwarzwald miterlebt. Auch dort habe es im Vorfeld viel Kritik gegeben, mittlerweile sind 145 Urlaubsorte am Start.

Dieses Beispiel macht auch Jürgen Löffler Mut. Der Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Bodo ist ebenfalls enttäuscht über die Entscheidungen in Salem und Überlingen und vor allem von der Kritik an der Chipkarten-Technologie. Er sagt aber klar: "Es wird die EBC geben. Der ÖPNV steht bereit." Der Forderung des Überlinger Gemeinderats, einen QR-Code einzuführen, erteilt er hingegen eine deutliche Absage: Diese Technik sei "nicht akzeptabel". Bodo habe in seinen Bussen zwar QR-Code-Leser, dies sei aber nur eine Interimslösung und "nicht geeignet für die zukünftige Welt". Dass zu Beginn nur vier Gemeinden dabei sein werden, sei zwar nicht optimal, "wir haben aber keine Mindesteintrittsschwelle." Für die Einführung des elektronischen Ticketsystems im Verkehrsverbund hätten die Absagen sowieso keine Auswirkung. Das neue System werde vor allem von Fördergeldern des Landes getragen.

Anders sieht es bei der versprochenen Erweiterung des ÖPNV-Angebots für Touristen aus. Hierfür waren und sind die Einnahmen aus den teilnehmenden Gemeinden der EBC gedacht. Ob der vor Kurzem noch stark beworbene Echt-Bodensee-Bus in den Sommerferien 2017 und danach tatsächlich fahren wird, darüber will Löffler derzeit keine verbindliche Aussage treffen. "Die Tendenz geht aber zu ja." Allein schon, um die EBC weiter im Bewusstsein der Gemeinden zu halten und bei Touristen dafür zu werben, könnte der Bus ein wichtiges Instrument sein. Zudem müssten Streckennetz und Taktung auch ohne die Gelder aus der Gästekarte erweitert werden. "Auch ohne Echt-Bodensee-Card sind die Unternehmen aufgefordert, etwas zu tun."

Auch die Touristiker in der Region müssen nun handeln. Fest steht nämlich, dass es die bisherige Gästekarte, die Bodenseeteam-Card, im kommenden Jahr in ihrer bisherigen Form nicht mehr geben wird, da mit Sipplingen und Bodman-Ludwigshafen zwei teilnehmende Gemeinden die EBC einführen werden. „Wir müssen uns nun überlegen, was wir unseren Gästen für eine Karte bereitstellen können“, sagt Jürgen Jankowiak, Geschäftsführer der Kur und Touristik Überlingen.

Jutta Halder, Geschäftsführerin des Bodensee-Linzgau Tourismus, steht vor der selben Frage. Zudem sieht sie sich dem Problem gegenüber, dass mit Frickingen und Heiligenberg zwei der vom Bodensee-Linzgau Tourismus betreuten Gemeinden ab 2018 die EBC einführen werden, Salem aber nicht. Die Entscheidungen in Daisendorf, Owingen und Herdwangen-Schönach stehen zudem noch aus. Es besteht also die Gefahr, dass das betreute Gebiet in zwei Teile gespalten wird. Wie es weiter geht, sei so kurz nach den überraschenden Entscheidungen in Überlingen und Salem noch nicht absehbar, sagt Halder. "Wir müssen das weitere Vorgehen jetzt mit den einzelnen Gemeinden abklären und bei uns im Vorstand besprechen." Klar sei aber, dass der Bodensee-Linzgau Tourismus weiter hinter der EBC stehe. "Aber wir können die Entscheidungen der Gemeinden nunmal nicht ändern."

Kritik an Vergabe

Im Vorfeld der Entscheidungen in Überlingen, Uhldingen-Mühlhofen und Salem hat eine Entscheidung des Landkreises bei den Kritikern der EBC für Unmut gesorgt: Der Auftrag zur Bereitstellung des EDV-Systems für Gastgeber wurde an die Firma Geios aus Oberstaufen vergeben. Deren Geschäfstführer, Konstantin Andreas Feustel, ist zugleich Chef der Firma Wiif, die den Landkreis bei der Ausschreibung beraten hat. Die Firma Geios hätte das wirtschaftlichste und konzeptionell beste Angebot abgegeben, sagt das Landratsamt auf Nachfrage. "Die Rolle der Firma Wiif als Berater des Landkreises hat dabei keine Rolle gespielt." Zudem hätte das Vergabeverfahren unter juristischer Aufsicht von Rechtsanwalt Holger Zuck stattgefunden. "Die Sache ist sauber gelaufen, da sind wir rechtlich auf der sicheren Seite", sagt Landrat Lothar Wölfle.