Hans-Christoph Neidlein

In Langenargen wird erstmals die thermische Nutzung des Bodenseewassers für eine klimaschonende Nahwärmeversorgung geprüft. In den kommenden Wochen sollen die Hauseigentümer befragt und Wärmebildaufnahmen der Gebäude gemacht werden. Die thermische Nutzung des Bodenseewassers wird dabei im Rahmen eines integrierten Quartierskonzepts zur Wärmeversorgung untersucht. Ziel ist die Energieeinsparung und klimaschonende Wärmeversorgung des gemischten Quartiers im Ortskern der Gemeinde. Es umfasst 384 Gebäude, darunter mehrere Hotels und Gewerbebetriebe und öffentliche Gebäude wie Altenpflegeheim, Schulen und Hallenbad mit einem ganzjährigen Wärmebedarf.

Gefördert wird das Projekt, das eine Laufzeit von einem Jahr hat, mit 53 000 Euro von der KfW. Dies deckt 65 Prozent der Projektkosten der Gemeinde ab. Die Energieagentur Ravensburg übernimmt die Untersuchung. „Mit dem angestrebten Quartierskonzept wollen wir die vorhandenen Potenziale ausloten und konkrete Maßnahmen im Nachgang konsequent umsetzen. Als direkte Seeanrainer versprechen wir uns von der thermischen Nutzung des Bodenseewassers tatsächlich einiges“, betont Bürgermeister Achim Krafft.

Nahwärmenetze gibt es in der Region schon einige, doch erstmals wird nun in Langenargen die Einbeziehung der thermischen Nutzung des Bodenseewassers geprüft. Von Vorteil ist, dass sich das gemischte Quartier in unmittelbarer Seenähe befindet und der Bodensee hier eine ausreichend große Flachwasserzone hat, aus der das Wasser für die thermische Nutzung mithilfe von Wärmepumpen entnommen werden kann. In den kommenden Wochen sollen die Hauseigentümer befragt und Wärmebildaufnahmen der Gebäude gemacht werden, berichtet Walter Göppel, Leiter der Ravensburger Energieagentur. Im Februar ist dann ein runder Tisch geplant. Im Frühjahr sollen das Konzept und erste Zwischenergebnisse in einer Bürgerversammlung vorgestellt werden. Göppel zeigt sich zuversichtlich, dass ein entsprechendes Pilotprojekt auf den Weg gebracht werden kann. Jedenfalls sei man derzeit schon dabei, die Gemeinde bei der Antragstellung an die KfW wegen einer dreijährigen Folgeförderung für die Beauftragung eines Sanierungsmanagers zu unterstützen, nachdem die einjährige Prüfungsphase im Sommer abgeschlossen ist.

Das Potenzial zur thermischen Nutzung des Bodenseewassers ist groß, wie jüngst ein internationales Fachforum „Wärmenutzung aus dem Bodensee“ des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft ergab. Fast die Hälfte des jährlichen Wärmebedarfs der elf Millionen Einwohner des Landes könnte potenziell durch das Bodenseewasser gedeckt werden, so das Fazit. Dafür müsste dem See mithilfe von Wärmepumpen etwa ein Grad Wärme entzogen werden. „Die Nutzung des Bodenseewassers als Wärmespeicher und Wärmequelle ist mit den Schutzzielen durchaus vereinbar", so Peter Fuhrmann, der Leiter der Abteilung Wasser und Boden im Stuttgarter Umweltministerium.

Grundlage hierfür ist die Richtlinie der internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) aus dem Jahr 2014. Diese gibt beispielsweise vor, dass das genutzte Wasser in 20 bis 40 Meter Tiefe eingeleitet werden muss. Die Auswirkungen der Wärmenutzung auf die mittlere Wassertemperatur seien minimal, wenn die Gesamtnutzungen im Bereich von unter ein Gigawatt blieben, so Thomas Wolf vom Institut für Seenforschung. "Die Effekte des Klimawandels übersteigen in diesem Fall die Effekte der Wärmenutzung", so Wolf.

Wärmepumpen

Wärmepumpen funktionieren im Prinzip wie ein Kühlschrank, nur umgekehrt. Sie entziehen der Umgebung Wärme und bringen sie auf ein höheres Niveau. Dafür reichen schon Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Die Temperatur des Bodensees liegt im Jahresdurchschnitt in 0,5 Metern Tiefe der Seemitte bei etwa 12,5 Grad. Mittels Wärmetauschern kann das Wasser auch zum Kühlen im Sommer verwendet werden.