Christiane Keutner

Der Aufsteller "Muschelzeit" liegt schräg auf einem Sonnenschirm in der Ecke vor dem Eingang des Gasthauses zum Hecht. Die Tür ist zu. "Wegen Krankheit geschlossen", steht schnörkellos auf einem Schild. Die Tür bleibt geschlossen. Für immer. Mario Levis, der mit seiner am 11. Oktober verstorbenen Frau Rosi fast 30 Jahre Gastgeber und weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannter Koch war, wird in den Ruhestand gezwungen. Er gibt das Gasthaus schweren Herzens auf.

Schwere Schicksalsschläge

Sein Herz schlägt zwar noch für seine vielen Stammgäste, wie er erzählt. Doch soll es weiterschlagen, muss er sich von seinem anstrengenden, ganzen Körpereinsatz fordernden Beruf, den er mit Hingabe und Leidenschaft betrieben hat, verabschieden. "Wollen Sie weiterleben?" habe ihn ein Arzt gefragt, nachdem er am 1. November in der Küche einen Herzinfarkt erlitten hatte, operiert werden musste und drei Bypässe gelegt bekommen hatte. Welche Frage, auch wenn der 62-Jährige mitunter nach dem Tod seiner Ehefrau kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, wie er erzählt. 45 Jahre waren sie zusammen, 42 Jahre davon haben sie zusammen gearbeitet. Sie im Service, er in der Küche.

Mario Levis rührt nur noch privat in Töpfen. Aus gesundhetlichen Gründen hat er die Kochschürze an den Nagel gehängt.
Mario Levis rührt nur noch privat in Töpfen. Aus gesundhetlichen Gründen hat er die Kochschürze an den Nagel gehängt. | Bild: Christiane Keutner

Pflichtbewusstsein bis zum Schluss

Die vergangenen drei Jahre hatte ihn die Krankheit seiner Frau schwer gefordert, das letzte halbe Jahr sei ein Auf und Ab gewesen. Mal im Krankenhaus, dann wieder zuhause. Tagsüber und abends hatte er gearbeitet, morgens und nachts seine Rosi im Krankenhaus besucht und in den letzten Tage bei ihr übernachtet. Am Tag, an dem er sich von ihr verabschiedet hatte, stand er, pflichtbewusst und verlässlich wie stets, abends in der Küche und kochte für die vielen Gäste des Apfelmenüs mit Lesung.

Arzt rät, Beruf aufzugeben

Mario Levis schämt sich nicht für seine Tränen, die er um seine Frau vergießt, während er liebevoll von ihr erzählt. Immer wieder beteuert er, dass er alles für sie gemacht hätte und ist froh über die Unterstützung durch seine Familie. "Ich habe immer geschaut, dass es anderen gut geht und mehr an meine Gäste gedacht, als an mich", blickt er zurück. Doch damit müsse jetzt Schluss sein. Der Arzt habe ihm ans Herz gelegt: "Gehen Sie aus dem Beruf."

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"Kochen war mein Leben", resümiert der gebürtige Franzose und schaut wehmütig auf den Gasherd, auf dem er viele seiner Spezialitäten gekocht hat. Für seine frischen Muscheln, die er von ausgewählten Zulieferern bezog, und die besonderen, selbst kreierten Saucen, waren viele Gäste von weither angereist. 2,7 Tonnen Muscheln hatte er alleine 2017 verkauft, erzählt er. "Muschelkönig" wurde Mario Levis liebevoll genannt. Aber auch die Liebhaber von Fleischspezialitäten, von badisch-schwäbischer und französisch beeinflusster Küche schätzten seine Kochkunst und Gastfreundschaft. Und seine Mitarbeiter seine ruhige, verlässliche Art sowie sein soziales Engagement.

Zeit, um nachzudenken

Doch der Stress, die zunehmend schwierige Situation in der Gastronomie und die persönliche Lage setzten dem ein Ende. Drei Wochen ist Mario Levis nun in Kur, anschließend will er sich noch ein paar Tage mit Familienmitgliedern in Italien erholen. Zeit, um sich Gedanken über die Zukunft zu machen. "Ich bin stark", vertraut er auf sich – und tröstet damit sein Umfeld, das sich um ihn sorgt. Sehr viel Anteilnahme habe er erfahren und voller Dankbarkeit denke er an seine vielen Gäste, die ihn von Anfang an begleitet haben, erzählt er.

Haus soll voraussichtlich verkauft werden

Vielleicht wird er künftig seine berühmten Tapenaden auf Märkten anbieten. Auf jeden Fall aber möchte er in der Region wohnen bleiben, sagt Levis. Ende Januar oder Anfang Februar plant er einen Flohmarkt, um Möbel, Geschirr und Geräte aus dem "Hecht" zu veräußern. Das Haus soll aller Voraussicht nach verkauft werden.

Sorge um Mitarbeiter

Gedanken hat Levis sich auch um die Zukunft seiner vier Mitarbeiter und der Aushilfen gemacht. "Sie verlieren ihren Job", bedauert er, setzt aber auf eine Übernahme seiner treuen Angestellten durch Kollegen. Und auch über den Franzosen-Stammtisch hat er nachgedacht. Franzosen und französisch sprechende Deutsche hatten sich einmal monatlich bei ihm getroffen. "Ich habe die Hoffnung, dass der Stammtisch weitergeführt wird und Bekannte haben eventuell schon eine Gaststätte in Aussicht." Dort werde er dann auch anwesend sein. Allerdings nur noch als Gast.