Vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsrichterin Kristina Selig in Sigmaringen ist ein 45-Jähriger wegen sexuellen Missbrauchs in 96 Fällen gegenüber seinen Schutzbefohlenen verurteilt worden. Zwei Jahre Haft, so lautete das Urteil, die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre. Zudem muss der Verurteilte je 1000 Euro an die beiden geschädigten Kinder bezahlen und er hat 3000 Euro an den Weißen Ring, einer gemeinnützigen Organisation, zu berappen. Ihm zugute hielt Amtsrichterin Selig, dass es bei Sohn und Tochter in Intimbereichen glücklicherweise nur zu „Berührungen und leichten Bewegungen“ gekommen sei und die Vorfälle zwischen 2011 und 2016 zudem schon länger zurückliegen. Berücksichtigt wurde vom Gericht auch das positive soziale Umfeld des Angeklagten.
Betroffene werden nochmals gehört
In der Fortsetzung der öffentlichen Hauptverhandlung galt es zuvor in erster Linie, die beiden heranwachsenden Kinder des Angeklagten nochmals zu vernehmen. Zu den sexuellen Übergriffen ihres Vaters hatten sie sich bereits in getrennten Verhören bestätigend geäußert. Ihre gemachten Aussagen, in Tonbild-Aufnahmen festgehalten, waren bereits auf den großen Bildschirm im Gerichtssaal öffentlich übertragen worden. In Präsenz der Jugendlichen vor Gericht wurde aber auf Antrag der Nebenklage, vertreten über deren Rechtsanwälte Jürgen Caillet und Nicole Ferrari, die Öffentlichkeit während der Verhandlungsdauer von über zwei Stunden ausgeschlossen. Vorab hatten die Geschwister bejaht, dass ihr Vater während ihrer Vernehmung im Saal anwesend sein dürfe, es jedoch ausschließlich der Richterin vorbehalten sein müsse, Fragen an sie zu richten.
Verteidiger beantragt ein Gutachten über die Kinder
Im Anschluss dieser Vernehmung beantragte Florian Majer, der Verteidiger des Angeklagten, die Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens über die Kinder, da in der Familienhilfe tätige Personen bei deren Aussagen involviert gewesen seien und es demzufolge zur „Thematik der Glaubhaftigkeit ein abweichendes Bild“ gäbe.
Dem Antrag der Nebenklage und der Staatsanwältin, diesen den Prozess enorm verlängernden Beweisantrag zurückzuweisen, kam das Schöffengericht nach kurzer interner Beratung nach.
Freundin des Beschuldigten sagt als Zeugin aus
Ebenfalls in den Zeugenstand wurde die 43-jährige Freundin des Angeklagten berufen. Sie sagte, der stete Wechsel mit Besuchsregelungen für die Kinder gegenüber den seit sechs Jahren getrennt lebenden Eltern habe gut funktioniert. Zu einem in der Anklageschrift zitierten Vorfall im Naturfreibad während einer gemeinsam gestalteten Freizeit, bei dem der Angeklagte seinen Sohn im Sommer 2020 belästigt haben soll, versicherte sie: „Mir ist nie etwas aufgefallen!“
Öffentlichkeit wird bei den Plädoyers ausgeschlossen
Auch zu den über einstündigen Plädoyers von Anklage und Verteidigung war die Öffentlichkeit nicht zugelassen. Bei ihrer Urteilsbegründung strich Richterin Kristina Selig den sachlichen Vortrag der Kinder im Zeugenstand heraus. Sie hätten die Situation so geschildert, wie es schon in der Anklageschrift festgehalten worden sei und sie hätten trotz ihrer Nachfragen auf jegliche Übertreibungen oder Ausschmückungen verzichtet. Zudem hätte es vonseiten Mutter keinerlei Einwirkungen auf die Kinder gegeben, sie hätte sie mit ihrem ersten Gedanken einer sofortigen polizeilichen Anzeige nicht bedrängt, sondern selber entscheiden lassen. Deshalb sei die lange Dauer, bis es nach deren Willen zur Anzeige gegen den Vater gekommen war, nichts Ungewöhnliches.