Vom 22. Mai bis 1. Juli musste das Helios-Spital in Überlingen vorübergehend den Kreißsaal abmelden. Grund dafür war ein akuter Personalmangel bei den Hebammen. Mehrere Hebammen aus dem Team wurden gleichzeitig schwanger. „Sobald eine Hebamme selbst schwanger wird, darf sie zum Schutz ihres Kindes keine Dienste mehr übernehmen, sie fällt damit sofort aus“, erklärt Claudia Prathel, Unternehmenskommunikation des Helios-Spitals Überlingen.
Eine weitere Mitarbeiterin habe sich für einen anderen Berufsweg entschieden und die Klinik deshalb verlassen. So viele parallele Personalausfälle konnte das Hebammenteam nicht kompensieren. Leider sei es auch nicht möglich gewesen, auf dem Arbeitsmarkt so kurzfristig neue Hebammen zu finden.
Neue Hebammen eingestellt
Die Elternschule, also Kreißsaalführungen, Babycafé und Geschwisterkurs, liefen auch während der Abmeldung weiter. Auch gynäkologische Patientinnen wurden uneingeschränkt behandelt. „Unsere Gynäkologen waren regulär im Dienst und sind auch in geburtshilflichen Notfällen handlungsfähig gewesen“, erklärt Prathel. Bereits im Juni und Juli wurden zwei neue Hebammen fest eingestellt. Im Oktober kommt eine weitere. Außerdem absolvieren zwei ausländische Hebammen ab Mitte August ihre Anerkennung (nach deutschen Standards) zur Hebamme im Helios-Spital Überlingen. Unterstützt wird das Team zusätzlich durch Mitarbeiter in Arbeitnehmerüberlassung. Ab dem 2. Juli war der Kreißsaal wieder geöffnet. Bis Ende Juli wurden dort 38 Kinder geboren.

Corinna Molz, 28, aus Meßkirch-Menningen ist als Hebamme am Helios-Spital in Überlingen angestellt. Derzeit ist sie selbst schwanger, darf deshalb nicht mehr im Kreißsaal arbeiten und ist freigestellt. Sie übernimmt nur noch Nachsorge im Rahmen ihrer Freiberuflichkeit. „Ich wollte schon immer Hebamme werden und hatte dies auch immer in den Freundebüchern als Berufswunsch eingetragen“, erzählt sie. Zunächst habe sie aufgrund der schwierigen Aussichten in der Hebammenausbildung eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin absolviert und direkt danach die anspruchsvolle Hebammenausbildung angeschlossen.
Keine Geburt wie die andere
Neben der Nachsorge stellt für Corinna Molz die Arbeit im Kreißsaal einen wichtigen Aspekt ihres Berufes dar. Was macht für sie eine gelungene Geburt aus? „Der Frau geht es gut, dem Kind geht es gut und die Plazenta (Mutterkuchen) ist vollständig“, beschreibt sie. Man könne keine Geburt mit einer anderen Geburt vergleichen. Jede Geburt sei individuell und bedürfnisorientiert. Auch die Nachsorge möchte die Hebamme nicht missen, da eine enge Beziehung zu den betreuten Frauen geknüpft werde. Das Qualitätsmanagement und die Dokumentation sind mit großem zeitlichem Aufwand verbunden. Hebammenbetreuung stehe den Eltern in den ersten zehn Lebenstagen des Kindes bis zu zweimal täglich zu. 16 Besuche ab dem elften Lebenstag bis zur zwölften Woche, darüber hinaus bei Stillschwierigkeiten oder Beikosteinführung, solange die Mutter stille. Ferner gibt Corinna Molz Rückbildungskurse und Beckenbodenkurse.

Viele steigen nach fünf Jahren aus Beruf aus
„Wenn du den Beruf Hebamme ausübst, musst du voll dahinter stehen und ihn mit Herzblut machen“, sagt die 28-Jährige. Regelmäßige Fortbildungen sind wichtig. „An Hebammen würde es nicht fehlen“, erklärt sie. Allerdings steigen viele Hebammen durchschnittlich nach fünf Jahren aus ihren Beruf aus – aufgrund eigener Familiengründung, Bezahlung oder den hohen Versicherungsbeiträgen.

Kampagne zur Nachwuchswerbung
Mit der Kampagne „(Auch) Hebammen brauchen Nachwuchs“ startete der Deutsche Hebammenverband (DHV) eine Kampagne zur Nachwuchswerbung. Nach der Umfrage des DHV werden deutschlandweit derzeit insgesamt 2486 Auszubildende und 310 Studierende zur Hebamme ausgebildet. Bis zum Ende des Jahres 2018 sollen die Plätze weiter ausgebaut werden: auf insgesamt 3055 Ausbildungs- und 400 Studienplätze . Aktuell sind es in Baden-Württemberg 420 Ausbildungsplatze, bis Jahresende 537. Damit schließen zukünftig jährlich rund 1000 Hebammen ihre Ausbildung ab. Die Schulen reagieren damit auf den steigenden Bedarf an Hebammenhilfe. Auch Männer können Hebamme werden. Sie werden offiziell Entbindungspfleger genannt. In Deutschland gibt es sehr wenige Entbindungspfleger.
Versicherungsprämie hat sich verzehnfacht
In den Mitgliedsstaaten der EU darf die Ausbildung zur Hebamme ab 2020 nur noch an Hochschulen stattfinden. Voraussetzung ist eine zwölfjährige allgemeine Schulbildung statt bisher die zehnjährige Schulbildung. Ein weiteres Problem für Hebammen ist die finanzielle Seite. Die Haftpflichtversicherungsprämien für die Hebammen haben sich Angaben des Hebammenverbands zufolge von 2002 bis 2017 verzehnfacht. Eine freiberuflich tätige Geburtshelferin muss alleine über 8000 Euro jährlich nur für die Berufshaftpflichtversicherung bezahlen, egal ob sie viele Geburten, nur eine Hausgeburt oder eine Geburt in einem Geburtshaus begleitet. Einen Großteil der Kosten der freiberuflich tätigen Hebammen werden seit 1. Juli 2015 durch den Sicherstellungszuschlag abgedeckt.
Geburten im Landkreis Sigmaringen
Im Jahr 2015 kamen 1124 Kinder zur Welt, die im Landkreis Sigmaringen wohnhaft gemeldet wurden. Die Anzahl der Geburten steigt. Das belegen die Zahlen für die Kliniken in Sigmaringen und Bad Saulgau, welche die SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH zur Verfügung stellen. Es gab keine Hausgeburten. Es gibt derzeit auch keine Hebammen im Landkreis Sigmaringen, die Hausgeburten anbieten, sagt Hubert Schatz, Leiter des Fachbereichs Jugend beim Landratsamt Sigmaringen. Die Geburtshilfestation in der SRH-Klinik Pfullendorf wurde zum 1. Oktober 2011 geschlossen. Das nächstgelegene Geburtshaus ist das „Geburtshaus am Bodensee“ in Überlingen.
Hebammen mit Sprechstunde
- -Wie viele Hebammen gibt es im Landkreis Sigmaringen?
Zur Betreuung der Schwangeren, der Neugeborenen und ihrer Familien stehen im Landkreis Sigmaringen derzeit 22 niedergelassene Hebammen und circa 20 angestellte Hebammen in den geburtshilflichen Abteilungen der SRH Kliniken Sigmaringen und Bad Saulgau zur Verfügung, sagt Hubert Schatz, Leiter des Fachbereichs Jugend beim Landratsamt Sigmaringen.
- -Es gibt eine Hebammensprechstunde?
Jeden Dienstag von 9 bis 12 Uhr findet im Fachbereich Gesundheit des Landkreises in Sigmaringen eine Hebammensprechstunde statt, so Schatz. Schwangere und Eltern mit Kindern im ersten Lebensjahr können sich hier bei Fragen, Unsicherheiten und Problemen vertrauensvoll an eine Hebamme wenden. Im Anschluss von 12 bis 12.30 Uhr findet eine Telefonsprechstunde statt (0 75 71/1 02 42 66). Die Hebammen Yvonne Hepner, Petra Brodmann und Alina Schorpp bieten die Sprechstunde im Wechsel an. Hintergrund der Einrichtung des Angebots im Sommer 2016 war, dass werdende Eltern zunehmend Schwierigkeiten haben, eine Nachsorgehebamme zu finden. Da es immer weniger freiberufliche Hebammen im Landkreis gibt, sind diese oft bis zu sechs Monate im Voraus ausgebucht.
- -Wer nutzt die Hebammensprechstunde?
Viele Schwangere und Mütter mit ihren Neugeborenen, die keine Nachsorgehebamme finden konnten, nutzen die Hebammensprechstunde. Hubert Schatz berichtet von einer Mutter, die regelmäßig mit ihrem vier Monate alten Baby in die Hebammensprechstunde kommt. Sie habe gesagt: "Ich bin froh, dass es das Angebot gibt, da ich keine Nachsorgehebamme gefunden habe. Meist komme ich mit meinem Sohn zum Wiegen. Dies gibt einfach Sicherheit. Im Gespräch mit den Hebammen kommen dann immer noch andere Themen auf. Es tut gut, Ratschläge einer Hebamme zu bekommen, da man beim ersten Kind vieles einfach nicht weiß."
- -Wie läuft die Beratung ab?
Die Beratung ist kostenlos und kann ohne ärztliche Überweisung und vorherige Terminvereinbarung wahrgenommen werden. Die Sprechstunde findet mit Ausnahme von Feiertagen auch während der Ferienzeiten statt. Die Hebammensprechstunde ist ein Angebot für alle Schwangeren und Eltern mit Kindern im ersten Lebensjahr. (sah)