Im Museumsgarten des Unteruhldinger Pfahlbaumuseums sitzt der österreichische Archäologie-Experte Wolfgang Lobisser und zeigt Besuchern, wie man früher aus Bast Seile geflochten hat, die für den Bau der Pfahlbauhäuser benötigt wurden. Das Staunen ist nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Eltern riesengroß. Sie erleben hautnah, wie in der Stein- und Bronzezeit gearbeitet wurde. Diese Szene spielte sich bereits 2018 und 2019 im Rahmen des Projektes „Experimentelle Archäologie“ ab.

Aber genau das ist es, was das Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen ausmacht. „Bei uns gab es schon von Anfang an ein anderes Vermittlungskonzept als bei klassischen Museen“, erklärt Museumsdirektor Gunter Schöbel. „Unser Freilichtmuseum bietet viel mehr als nur Vitrinen, Schautafeln und Schätze.“

So sahen die Pfahlbauer für den Künstler Gerry Embleton aus, im Hintergrund die beiden renovierten Häuser von 1922.
So sahen die Pfahlbauer für den Künstler Gerry Embleton aus, im Hintergrund die beiden renovierten Häuser von 1922. | Bild: Hanspeter Walter

Ein pädagogisches Konzept, das Teilhabe vorsieht? Der 62-Jährige erinnert an Projekte in den 90ern: „Als ich 1990 als wissenschaftlicher Leiter in den Pfahlbauten angefangen habe, war eines der ersten Projekte, die ich realisiert habe, der Versuchsgarten. Damals sind wir teilweise belächelt worden wegen unserer sogenannten ‚Sandkastenprogramme‘.“ Aus der heutigen Sicht könne man aber sagen, dass es genau der richtige Schritt war.

Jeden Gast auf seinem Lernweg abholen

Gunter Schöbel versucht immer, neue Zugangsformen zu finden und anzubieten „Wir müssen versuchen, jeden einzelnen Gast auf seinem Lernweg abzuholen“, erklärt der gebürtige Stuttgarter. „Deshalb ist es wichtig, viele verschiedene Formate zu haben, damit möglichst jeder einen Zugang zu dem auch mal recht trockenen Thema Archäologie bekommt.“ Dabei gehe es auch um haptische, visuelle und akustische Angebote.

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Auf dem Weg der Weiterentwicklung helfe diesbezüglich eine jährliche Evaluation unter den Besuchern. Dabei gibt es jedes Jahr mindestens 2000 Fragebögen, die ausgefüllt werden. „So wissen wir sehr genau, was unsere Besucher wollen“, betont der Museumsleiter. So sei auch der Masterplan Weltkulturerbe 2011 entstanden, der mit der Realisation des aktuell geplanten Neubaus abgeschlossen sein wird. Eines der ersten Projekte dieses Plans war der Bau des Archaeoramas, das nach wie vor die Besucher in seinen Bann zieht.

Ein Blick in die Multimediashow Archaeorama.
Ein Blick in die Multimediashow Archaeorama. | Bild: Matthias Baumhauer/Pfahlbaumuseum

Besucher soll magische Momente erleben

„Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als 2010 eine Schülergruppe aus der Schweiz bei uns war und wir am Schluss gefragt haben, wie es war“, erzählt Gunter Schöbel. „Da war ein elfjähriges Mädchen, das sagte, es sei schon interessant gewesen, aber doch ein bisschen langweilig.“ Diese Aussage sei quasi die Geburtsstunde der Erzählmaschine Archaeorama und die Schaffung von sogenannten Magic Moments gewesen. „Da ist uns bewusst geworden, dass wir weg von inszenierten Innenräumen und hin zu einer modernen Vermittlung gehen müssen“, erläutert der 62-Jährige.

„Grünes Klassenzimmer“ als neuer Lernort

Gesagt – getan: Mittlerweile gibt es immer wieder Vermittlungs-Programme wie 2018 und 2019 die experimentelle Archäologie, bei denen über Wochen verschiedene Themenfelder gezeigt werden. Ganz neu im Pfahlbaumuseum ist das grüne Klassenzimmer. Hierzu wurde ein Gebäude im Museumsgarten gebaut, das nun ganz neue Möglichkeiten bietet. „Zunächst ergänzt es als neuer Schulungsraum die Führungen und Rundgänge im Freilichtmuseum“, so Gunter Schöbel. „Es dient aber auch Schulklassen und Gruppen für Kurse zu den Themen Ernährung, Umwelt, archäologische Methoden und Steinzeittechnologie.“ Und das das gesamte Jahr über.

Mit dem Grünen Klassenzimmer wurde ein außerschulischer Lernort geschaffen, für den es sogar eigenes wissenschaftliches Personal gibt. „Lernen vor Ort ist einfach etwas ganz anderes“, betont der gelernte Taucharchäologe. „Außerdem haben wir hier die Möglichkeit, sogar fachübergreifende Angebote anzubieten.“ Die Idee sei durch die Zusammenarbeit mit Studenten der Universität Tübingen entstanden. Er könne sich sehr gut vorstellen, nicht nur Schüler in den Fächern Geografie und Biologie zu unterrichten, sondern auch Lehrerausbildungen anzubieten.

Museumsdirektor Gunter Schöbel an der Quiz-Station nach dem Motto „1, 2, oder 3“, um den Schülern spielerisch Inhalte zu ...
Museumsdirektor Gunter Schöbel an der Quiz-Station nach dem Motto „1, 2, oder 3“, um den Schülern spielerisch Inhalte zu vermitteln. | Bild: Jäckle, Reiner

Bewussten Umgang mit der Natur kennenlernen

Und eines ist ihm ganz wichtig: „Das grüne Klassenzimmer im Pfahlbaumuseum soll jungen Museumsbesuchern einen bewussten Umgang mit der Natur vermitteln.“ Dies soll unter anderem durch direkten Kontakt mit den Objekten aus der Zeit der Pfahlbauer geschehen. „Es werden Kenntnisse über die Natur von damals und heute vermittelt“, sagt Schöbel. „Aber auch das Verständnis über die Veränderungen von Landschaft, Umwelt und Klima.“ Die Weiterentwicklung von pädagogischen Vermittlungskonzepten geht im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen also auch nach 100 Jahren immer noch weiter.

Das grüne Klassenzimmer in den Pfahlbauten bietet Platz für größere Gruppen, um auch im Winter Archäologie hautnah zu erleben.
Das grüne Klassenzimmer in den Pfahlbauten bietet Platz für größere Gruppen, um auch im Winter Archäologie hautnah zu erleben. | Bild: Jäckle, Reiner

Das Pfahlbaumuseum feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. In loser Folge wird der SÜDKURIER Themen rund um das Museum nachgehen. So wie diesmal dem pädagogischen Konzept.

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