In Zeiten der Energiewende auf sauberen Strom aus einem bestehenden Wasserkraftwerk verzichten? Nein, sagte das Stadtwerk am See noch im Februar vor zwei Jahren. Damals kündigte die kommunale GmbH an, dass das Wasserkraftwerk am Mantelhafen wieder auf Touren gebracht werden solle. Damals herrschte eine Zwangspause, weil ein Leck in der Fallleitung, die den Wasserspeicher, also den Andelshofer Weiher, mit dem Wasserkraftwerk verbindet, vorhanden war. Das sollte geflickt werden.
Soweit zum Sachstand vor zwei Jahren. Mittlerweile ist klar, dass das Stadtwerk diesen Plan aufgegeben hat. Das kam jetzt heraus, weil ein Bürger in der Gemeinderatssitzung danach gefragt hatte. Ihm waren Bauarbeiten aufgefallen, die darauf hindeuteten, dass die Wasserrohre nicht repariert, sondern mit Beton verfüllt werden. Und so ist es auch.
„Die Druckrohrleitung des Wasserkraftwerks Mantelhafen ist am Ende ihrer technischen Nutzungsdauer und in einem nicht betriebsbereiten Zustand", erklärte Stadtwerk-Chef Alexander-Florian Bürkle auf SÜDKURIER-Anfrage. "Eine wirtschaftliche Nutzung der Wasserkraftanlage ist leider nicht mehr möglich. Zudem sehen wir uns auch aus Sicherheitsgründen – es befinden sich viele Wohnhäuser über der Leitung – gezwungen, die Leitung zu verfüllen.“
Oberbürgermeister Jan Zeitler hatte in der Bürgerfragestunde geantwortet: "Die Planungen für die Arbeiten sind abgeschlossen und die Maßnahme ist bereits in der Umsetzung. Eine Spezialfirma wird die Leitung permanent verfüllen. Die Arbeiten müssen abschnittsweise ausgeführt werden, da Teile der Leitung altersbedingt beschädigt sind." Und was geschieht mit den Einrichtungen? Zeitler: "Wir sind bereits in Gesprächen für eine attraktive Anschlussnutzung des Andelshofer Weihers sowie für das Turbinengebäude am Mantelhafen." Die Fallleitung sei Eigentum des Stadtwerks am See. Der Sachverhalt sei Gegenstand einer Aufsichtsratssitzung gewesen. "Wir haben das Thema breit diskutiert und abgewogen." Das Stadtwerk habe eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zugrunde gelegt. "Darin wurde der Unterschied ganz deutlich zwischen dem, was wir investieren müssten, um die Leitung zu ertüchtigen und weiterhin in einem überschaubaren Maß mit einer veraltetem Anlage Strom zu produzieren, und dem, was eine Verfüllung kosten würde." Zeitler weiter: „Wir wussten um die Befindlichkeiten aus der Vergangenheit und um das Interesse an diesem Wasserkraftwerk, aber der Aufsichtsrat ist einem Wirtschaftsunternehmen verpflichtet." Die Verfüllung der Leitung solle auch verhindern, dass Gas sich in der Leitung sammelt. Zeitler: "Das ist eine reine Sicherheitsmaßnahme, um diese Leitung fachmännisch stillzulegen, auch das wird sehr teuer sein."

Joachim Betten, Vorsitzender des Vereins Bürgersinn, bedauert, dass die Öffentlichkeit "in diese gravierenden Entscheidungen" nicht mit einbezogen worden sei. Mit einer Öffentlichkeitsbeteiligung, so seine Überzeugung, "können durchaus andere Entscheidungen entstehen". Ihm sei bekannt, dass es zu jedem Problem immer zwei Lösungen gebe. Betten in einem offenen Brief an die Fraktionssprecherin von LBU/Die Grünen im Überlinger Gemeinderat: "Mit Gutachten lassen sich beide Lösungen untermauern. Es ist nur die Frage, wer sie bestellt. Diese Gutachten müssten auch öffentlich gemacht werden, damit vernünftig und auch zukunftsorientiert abgewogen werden kann. Solche schwerwiegenden Entscheidungen müssten auf mehr und breiteren Schultern gestemmt werden. Diese Art der Kommunalpolitik sollte aufgegeben werden, denn dadurch entsteht dieser Frust in der durchaus politisch interessierten Bevölkerung."
Betten erinnert daran, dass in den vergangenen Jahren Steuergeld in die Sanierung des Damms am Andelshofer Weiher gesteckt und beim Ausbau der B 31 neu Rücksicht auf diese Wasserkraftwerk-Anlage genommen worden sei. "Und nun soll diese Fallleitung und damit das Herzstück der Anlage stillschweigend aufgegeben werden. Dafür wird wenig Verständnis zu erwarten sein."
Das Wasserkraftwerk am Mantelhafen
- 1923 wurde das Wasserkraftwerk von der Stadt gebaut, zur Versorgung Überlingens mit Elektrizität. Ausgestattet mit zwei Turbinen, hatte es eine Leistung von 450 und 150 Kilowatt. Bis 2013 war die Turbine mit 150 Kilowatt noch in Betrieb, für die 450-Kilowatt-Turbine habe die Wassermenge zuvor schon nicht mehr gereicht.
- Noch im Jahr 2000 gingen die Stadtwerke Überlingen (SWÜ) mit dem so genannten "Turbi-Strom" an den Markt. Der Strom aus dem Wasserkraftwerk am Mantelhafen ließ sich gut als Öko-Strom vermarkten. In einer Pressemitteilung der SWÜ hieß es im Jahr 2000, dass sich jährlich mit den alten Turbinen 250 000 bis 300 000 Kilowatt Strom produzieren ließen, das sei damals genug für bis zu 100 Wohnungen gewesen.
- Als Wasserspeicher wurde der Andelshofer Weiher (genannt Andele) genutzt, der in den Jahren 1922 bis 1924 als kleiner Stausee angelegt wurde. Die rund 2400 Meter lange Fallleitung überbrückt einen Höhenunterschied von rund 110 Metern. (shi)