Nach mehreren vergeblichen Anläufen hatte die Stadt Mitte 2016 einen Sozialpass eingeführt, über dessen Nutzung Michael Moser vom Bürgerbüro jetzt im Ausschuss für Bildung und Kultur erstmals eine Bilanz vorlegte. Im Jahr 2017 hätten von insgesamt rund 1085 Berechtigten nur 207 dieser Nachweise beantragt. Allein im zweiten Halbjahr 2016 waren es noch 270 gewesen – bei 930 Antragsberechtigten. Da von dem zur Verfügung stehenden Budget von 75.000 Euro im vergangenen Jahr nur 3140 Euro benötigt worden waren, empfahl die Verwaltung eine Reduzierung auf 15.000 Euro.

Gibt es keinen Bedarf?

Nun rätselt mancher: Gibt es keinen Bedarf, obwohl es viel mehr Leistungsempfänger gibt? Sind sie nur schlecht informiert? Oder scheuen sie sich aus Scham, die Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen, was Silvia Kruse-Baiker (SPD) als Möglichkeit in den Raum stellte. Nicht nur sie kritisierte zunächst die Kürzung des Budgets und sah darin ein schlechtes Signal. "Kann es sein, dass das an uns liegt?" fragte Ulf Janicke (LBU/Grüne): "Kann es sein, dass wir schlecht informiert haben?" Vielleicht müsse man mehr Marketing betreiben. Dagegen hatte auch Lothar Thum (ÜfA/FWV) nichts einzuwenden, betrachtete die vorgeschlagenen 15.000 Euro angesichts des jüngsten Bedarfs für mehr als ausreichend.

Ansatz drastisch zurückfahren

"Wir können das Budget nicht ehrlich bei 75.000 Euro ansetzen, wenn im ganzen Jahr 2017 nur 3140 Euro benötigt wurden", begründete OB Jan Zeitler die Empfehlung, den Ansatz drastisch zurückzufahren. Zum einen sei dies noch ein Vielfaches des jüngsten Bedarfs, zum anderen müsse man es auch keinesfalls als "Deckelung" verstehen. "Sollte entgegen den Erwartungen mehr benötigt werden, dann könne man immer noch etwas umschichten", betonte Zeitler.

Interessant sind Vergünstigungen bei Strandbädern

Ausgabestellen für den Sozialpass sind die Caritas, die Diakonie und das Gemeindepsychiatrische Zentrum. "Die Leistungen sind bisher einfach zu unattraktiv", erklärt sich Udo Pursche, Geschäftsführer der Diakonie, die geringe Nachfrage. Das einzig wirklich Interessante sind aus seiner Sicht die Vergünstigung bei den Strandbädern. "Da werden auch jetzt sicher wieder einige Anträge kommen", sagt er. Dass die Ermäßigungen beim Stadtbus weniger Kosten verursachen, überrascht Pursche überhaupt nicht. Zum einen kämen nur Senioren in den Genuss, die die Grundsicherung erhalten; zum anderen sei das Verfahren zu kompliziert, da die Betroffenen zunächst eine Monatskarte erwerben müssten, deren Kosten sie anschließend wieder erstattet bekämen. "Herr Morath hatte allerdings angedeutet, dass dies künftig einfacher werden und bei Einzelfahrten direkt registriert werden könnte."

Aktuelle Diskussion hat Berechtigung

Die aktuelle Diskussion hat aus Pursches Sicht durchaus ihre Berechtigung. "Wir hatten ja auch im Vorfeld vereinbart, die Inanspruchnahme beziehungsweise den Bedarf zu beobachten und dann das Budget entweder einzuschränken oder auszuweiten." Angesichts der aktuellen Statistik, wäre es aus seiner Sicht allerdings nun möglich, die Leistungen auszuweiten – gerade bei der Nutzung des Stadtbusses. Hier könnten alle Empfänger staatlicher Leistungen ungeachtet des Alters berücksichtigt werden, denkt der Diakoniechef. Die Berechtigten mit den Bescheiden gleich über die möglichen Vergünstigungen zu informieren, hält Pursche für eine gute Idee.

Mehr Vergünstigungen beim Stadtbus

"Das Angebot geht teilweise an den Betroffenen vorbei", sagt Petra Demmer. Vergünstigungen für Strandbäder und Therme seien wichtig, doch Museum oder Theater träfen meist nicht den Nerv der Berechtigten. "Die haben in der Regel andere Sorgen", erklärt die Caritas-Chefin. Schon eher interessant seien Kino, Musik- oder Volkshochschule. "Man braucht hier noch niederschwelligere Angebote." Demmer plädiert wie Pursche für eine Ausweitung der Vergünstigungen beim Stadtbus im Alter "nach unten". Allerdings war es aus ihrer Sicht wichtig, "mal ein ganzes Jahr die Erfahrungen zu sammeln".