"Hier schlägt das Herz der Vereine", hatte der frühere Oberbürgermeister Volkmar Weber bei einem Tag der offenen Tür im Telekomgebäude in der Langgasse einmal formuliert. Von der Chorgemeinschaft über den Judoverein bis zum Karate Dojo, vom Fotoclub bis zum Tanzsportverein Blau-Gold, von den CB-Funkern bis zum Schachclub hatten zahlreiche kulturelle und sportliche Gruppen eine Bleibe und scheinbar gesicherte Heimat gefunden. Bis die Telekom das Gebäude und das umgebende Gelände im Jahr 2015 an den Ludwigsburger Investor Hans-Peter Betz und dessen Firma Betz Baupartner GmbH verkaufte. Den Vereinen drohte der erzwungene Exodus zunächst schon Ende Juni 2016 – und das Herz stockte.
Die damalige Oberbürgermeisterin Sabine Becker verhandelte für die Vereine und die Stadt, die 6 800 Euro Miete pro Monat bezahlte, einen gesicherten Aufschub von zwei Jahren zu den alten Konditionen. An der Situation hat sich kurz vor Ablauf dieser Galgenfrist wenig geändert. "Die Stadt möchte den Vereinen die Mitnutzung von Dorfgemeinschaftshäusern, Schulräumen und Sportstätten vorschlagen", steht seit Dezember 2016 auf der Homepage. Ihr sei bewusst, dass einige Vereine "wegen schwerer Matten und Gerätschaften sowie ihres hohen Bedarfs an Trainingszeiten nicht ohne Weiteres bestehende Räume nur temporär mit nutzen können". Doch die Stadt biete bei der Suche ihre Unterstützung an. Einige Vereine – wie der Fotoclub – hatten schon damals bald die Flucht angetreten und haben einen Platz in den Schulen gesucht. Andere wie das Karate Dojo, das viel in die Ausstattung seiner Räume investiert hatte, setzten auf das Prinzip Hoffnung.
Vor einigen Wochen hat die Stadt nun ihrerseits den Vereinen gekündigt. Wer in geduldeter Form weiter die Räume nutze, könne daraus keinen Anspruch auf einen Mietvertrag ableiten, teilte die Verwaltung den Vereinen sinngemäß mit. Auf jeden Fall bleiben wollen vorläufig das Karate Dojo und auch die Chorgemeinschaft, wie Vorsitzender Rudi Durejka betont. Die Sänger proben mit drei Vokalensembles regelmäßig im Telekomgebäude und haben auch noch dem Jugendschachclub eine Herberge gegeben. Nun hängt das Damoklesschwert noch etwas tiefer über den Nutzern, die das Domizil nach wie vor schätzen. "Die Nerven liegen bei vielen blank", sagt Dieter Faulhammer, Vorsitzender des Karate Dojo.
Doch der Investor gibt noch einmal Entwarnung. Im Moment hat Bauunternehmer Hans-Peter Betz keine große Eile, die Vereine vor die Tür zu setzen, wie er auf Nachfrage erklärt. "Wir haben an der Immobilie ein langfristiges Interesse", betont er. Schließlich wird von der Telekom selbst noch ein großer Teil des Erdgeschosses genutzt, der markante Turm mit den Sendeantennen sowieso. Gemeinsam mit der Kommune wolle man ein kluges städtebauliches Konzept entwickeln und langfristig umsetzen, betont der Eigentümer. Bis dahin wolle er den Vereinen die weitere Nutzung ermöglichen. "Die Stadt wird ja im Moment kaum in der Lage sein, ein Vereinshaus als Alternative zu erstellen", sagt Betz.
Von der Stadtverwaltung sei seine Firma gefragt worden, "ob wir bereit sind, mit den Vereinen Mietverträge abzuschließen und zu welchen Konditionen wir dies darstellen könnten", schreibt Betz in einem Brief, den die Vereine in diesen Tagen erhielten. Am einfachsten wäre es aus seiner Sicht gewesen, "wenn die Vereine gemeinschaftlich einen Förderverein gründen würden und wir mit diesem einen einheitlichen Mietvertrag abschließen könnten". In Gesprächen habe sich aber gezeigt, dass dies von einigen Vereinen nicht gewünscht sei. Betz: "Auf Bitten von Herrn Wiedemer-Steidinger prüfen wir deshalb aktuell die Direktvermietung der jeweils genutzten Flächen an die einzelnen Vereine." Dazu wolle man nun zunächst die notwendigen Informationen erheben, schreibt Betz, der mit dem am 23. Mai datierten Brief einen Fragebogen und die Pläne des Gebäudes zukommen ließ. Diese mögen die Vereine bis zum 15. Juni geprüft zurücksenden.
"Nachdem wir alle Unterlagen zurückerhalten haben, werden wir prüfen, ob wir die Räume weiterhin zur Verfügung stellen können und welcher Mietpreis sich ergibt", schreibt Betz in dem Brief an die Vereine. Und weiter: "Wir gehen davon aus, dass wir Sie bis Anfang Oktober informieren können, wie die neuen Mietkonditionen aussehen werden." Der Eigentümer werde dann Mietverträge anbieten, die rückwirkend ab dem 1. Juli 2018 gelten würden. Sollte kein Abschluss mit den einzelnen Vereinen zustande kommen, müssten die Räume dann allerdings geräumt werden.
Im Gespräch deutete Betz schon an, dass sich möglicherweise nicht alle Vereine die sich ergebende Miete leisten könnten. "Einige haben einen großen Mitgliederstamm hinter sich", weiß er. Andere hätten weniger Rückhalt. Gegebenenfalls müsse die Stadt prüfen, ob hier eine Unterstützung denkbar sei. "Die Vereine sind wichtig für die Sozialstruktur der Stadt, weswegen wir uns den entstehenden Fragestellungen und Herausforderungen mit großem Engagement stellen werden", betont Investor Betz abschließend: "Wir sind sicher, dass wir eine gute Lösung für alle Beteiligten finden werden."

Vereine in der Zwickmühle
- Zwischen Baum und Borke fühlte sich lange Zeit das Karate Dojo Überlingen, der nach dem Einzug ins Haus der Vereine nicht nur 350 000 D-Mark in die Räume investiert hatte, sondern auch 1500 ehrenamtliche Arbeitsstunden seiner Mitglieder. Die Räume mussten sportgerecht ausgestattet werden, zusätzlich wurden auf eigene Kosten Sanitärräume eingebaut. Die Räume nutzen derzeit in Untermiete auch der Kendo-Verein und eine Gruppe des Turnvereins.
- Das Karate Dojo wollte dennoch nicht überrollt werden von der Entwicklung und hatte verschiedene Alternativen ins Auge gefasst, darunter eine Fabrikhalle beim Sägewerk Schuler. Auf mehreren Mitgliederversammlungen hatte der Vorstand das finanzielle Potenzial und das Engagement sondiert. Beiträge wurden aufgestockt – auf nun 27 Euro pro Monat. "Doch das war uns am Ende dann doch zu riskant", sagt der Vereinsvorsitzende Dieter Faulhammer. Der Verein sei stabil, wachse aber nicht. Man wolle den nächsten Generationen keine zu großen Lasten aufbürden.
- Bedauerlich fand Faulhammer, dass eine Kommunikation mit dem neuen Eigentümer nur schwierig zustande kam. "Die Stadt wollte ihn uns zunächst aus Datenschutzgründen nicht nennen." Im Moment zahlt der Verein an die Stadt rund 750 bis 800 Euro Miete, wobei das meiste die Nebenkosten sind. Lange hatten die Nutzer auf eine Abrechnung gewartet, einige verweigern noch immer die Zahlung. Eine Miete von fünf Euro pro Quadratmeter hat der Eigentümer schon gegenüber verschiedenen Vereinen in den Raum gestellt. Mit 2500 Euro im Monat rechnet Faulhammer.
- Eine gewisse Zuversicht ist aus den Worten des Karate-Vorsitzenden dennoch herauszuhören. Zum einen hätten es in den Gesprächen mit dem Eigentümer deutliche mündliche Signale gegeben, die Räume weiter nutzen zu können. Zum anderen nutze die Telekom selbst noch Turm und Teile des Erdgeschosses auf längere Zeit. "Hier drin bleiben zu können, ist für uns eigentlich das Beste, was uns passieren kann", sagt Faulhammer. Ähnlich denkt auch Rudi Durejka von der Chorgemeinschaft: "Doch wir warten erst einmal ab, was auf uns zukommt."