Mardiros Tavit

„Ich trage das Dorf im Herzen“, sagt Todor Todorov, Bauhelfer bei der Neuen Mitte in Salem, immer wieder während des Gesprächs. Der Bulgare spricht ein gebrochenes Deutsch und entschuldigt sich deswegen. Dabei hat er keinen Grund dafür. Auch ohne Deutschkurs kann sich der Hobbygärtner gut verständigen. Er ist einer von etwa 40 osteuropäischen Bauleuten, die im kleinen Containerdorf am Rande der Neue-Mitte-Baustelle leben. „Ich kann nicht ohne Pflanzen“, ergänzt Todorov und zeigt auf die zwei großen Beete vor den Containerreihen, in denen Gemüsepflanzen sprießen.

Etwa 40 Bauleute leben in dem kleinen Containerdorf. Vor den Containern wurden auf zwei großen Beeten verschiedene Gemüsesorten angepflanzt.
Etwa 40 Bauleute leben in dem kleinen Containerdorf. Vor den Containern wurden auf zwei großen Beeten verschiedene Gemüsesorten angepflanzt. | Bild: Mardiros Tavit

Liebe zum Gärtnern liegt in der Familie

Geboren wurde er in einem Dorf in Zentralbulgarien. Mittlerweile lebt er in Plovdiv, der zweitgrößten Stadt seines Heimatlandes. Dort hat er ein Einzimmer-Appartement. „Meine Pflanzen ziehe ich mir in Blumentöpfen und -kübeln, weil ich keinen Garten und keinen Balkon habe.“ Die Liebe zum Gärtnern liege in der Familie. Auf dem Dorf hätten sie immer einen Garten gehabt – nicht nur als Hobby, sondern auch, um sich selbst zu versorgen.

Nach Feierabend kümmern sich die Bauleute um den Gemüsegarten. Hier erholen sie sich von der anstrengenden Arbeit.
Nach Feierabend kümmern sich die Bauleute um den Gemüsegarten. Hier erholen sie sich von der anstrengenden Arbeit. | Bild: Mardiros Tavit

In Salem ist Todorov seit März vergangenen Jahres im Einsatz. Als er absehen konnte, dass er wahrscheinlich bis Ende kommenden Jahres bleiben wird, hat er den Garten angelegt, erzählt er. Denn dann könne er die Früchte seiner Arbeit ernten. Ähnliches habe er schon auf seiner vorigen Baustelle in Kehl getan. Seit 1994 arbeite er immer wieder in Deutschland.

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Tomaten wachsen am Bauzaun

Am Fuß zweier Erdhaufen, die vor den Containern liegen, hat Todorov seine Beete angelegt. Um den Boden zu lockern und etwas zu düngen, hat er Baumreste und Holzspäne untergemischt. Direkt am Baugitter, das das Grundstück zur Schlossseeallee hin abgrenzt, hat Todorov einen besonderen Pflanzkasten gebaut. Hier hat er Schnittgut und Erde abwechselnd geschichtet. Eingepflanzt hat er Tomatentriebe und Kartoffeln. Die gedeihen hier prächtig.

Am Bauzaun, der das Containerdorf zur Schlossseeallee hin abgrenzt, ranken die Tomatenpflanzen empor. Im Kasten wurde Schnittgut und ...
Am Bauzaun, der das Containerdorf zur Schlossseeallee hin abgrenzt, ranken die Tomatenpflanzen empor. Im Kasten wurde Schnittgut und Erde geschichtet. Neben den Tomaten hat Todor Todorov hier auch Kartoffeln eingesetzt. | Bild: Mardiros Tavit

Ochsenherztomaten als Blickfang

Das Saatgut hat der Hobbygärtner aus Bulgarien mitgebracht. Die dicken grünen Tomaten sind ein Blickfang für Passanten, die entlang des Bauzauns an der Schlossseeallee spazieren. „Die werden 800 Gramm bis ein Kilo schwer“, sagt Todorov und öffnet seine Hand, um die Größe einer ausgewachsenen Frucht anzudeuten. Es ist die Sorte Ochsenherz. Bei der Größe und der tiefroten Farbe, die die Tomaten im erntereifen Zustand haben werden, erklärt sich der Name von selbst.

Die Tomaten der Sorte Ochsenherz sind schon so groß, dass sie gestützt werden müssen. Sonst brechen die Zweige, an denen sie wachsen.
Die Tomaten der Sorte Ochsenherz sind schon so groß, dass sie gestützt werden müssen. Sonst brechen die Zweige, an denen sie wachsen. | Bild: Mardiros Tavit

Sorten werden seit Generationen gepflanzt

Eine zweite Sorte Tomaten ist in den Beeten ebenfalls zu finden. Er nennt sie Pink Magic. Ob das der Sortenname ist, weiß der Bulgare nicht. Denn auch sie sind aus der Heimat und werden seit Generationen in der Familie gepflanzt, erzählt Todorov. Neben den Tomaten hat er aus Bulgarien noch Saatgut von Bohnen, Zucchini und Peperoni mitgebracht. „Das sind keine Hybride, das ergiebige Saatgut können wir selber sammeln.“

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Auch Kürbisse, Gurken, Rote Bete und Kartoffeln gedeihen

Doch nicht nur dieses Gemüse wächst und gedeiht in der Neuen Mitte Salem, sondern auch Kürbisse, Gurken, Rote Bete und Kartoffeln. Die Tomaten überwiegen allerdings. Wie viele Pflanzen er hat, weiß er nicht so genau, sagt Todorov. Beim schnellen Durchzählen kommt er gleich auf 40: 30 der Sorte Ochsenherz und zehn der Sorte Pink Magic. Die großen Tomaten eignen sich hervorragend für Saucen und Eintöpfe, erklärt der Hobbygärtner. Die pinkfarbenen seien wunderbare Rohkosttomaten. „Denn die Pink Magic sind nicht wässrig.“

Todor Todorov zeigt die gelben Zucchini. Das Saatgut dafür wurde hier im Supermarkt gekauft.
Todor Todorov zeigt die gelben Zucchini. Das Saatgut dafür wurde hier im Supermarkt gekauft. | Bild: Mardiros Tavit

Basilikum zwischen den Tomatenpflanzen

Angezüchtet hat der Bauhelfer mit dem grünen Daumen seine Saaten in Bechern. „Die Setzlinge kamen im Mai in die Beete.“ Zu Beginn habe er die jungen Triebe noch mit einer Folie geschützt. Von einem Kollegen hat er außerdem einen Tipp bekommen, den er seither konsequent anwendet: Er pflanzt Basilikum zwischen die Tomaten. Das soll Ungeziefer fernhalten. Doch nicht nur dort, auch bei den Gurken hat Todorov das Kraut angepflanzt. Die Gurken ranken sich an einer Gittermatte, wie sie bei den Betongießern verwendet wird, entlang.

Basilikum zwischen den Tomatenpflanzen soll Ungeziefer von den Früchten weghalten.
Basilikum zwischen den Tomatenpflanzen soll Ungeziefer von den Früchten weghalten. | Bild: Mardiros Tavit

Kräuter aus dem Supermarkt

Das Basilikum hat kräftige große Blätter und gedeiht wunderbar zwischen den anderen Pflanzen. Es scheint, weder die Sonne noch starker Wind könnten dem Kraut etwas anhaben – ganz anders als das Küchenbasilikum in den kleinen Töpfen aus dem Supermarkt, das zu Hause nach einer Woche auf der Fensterbank verwelkt. „Ich habe das Kraut aus dem Supermarkt, habe den Topf geteilt und über den Garten verteilt.“ Er habe selber etwas gestaunt, dass sich das Küchenkraut so gut entwickelt habe. An Kräutern hat Todorov noch Krauspetersilie, Minze und Dill. Die Saaten dafür habe er allesamt im örtlichen Supermarkt geholt, erzählt er.

Blumen sollen künftig die Container-Geländer zieren

„Wo Männer leben, gibt es keine Blumen“, habe eine Passantin einmal zu ihm gesagt. Das habe ihm keine Ruhe gelassen. Er habe sich deshalb Blumen besorgt und sei gerade dabei, sie aufzupäppeln und zu vermehren. „Die Geländer an den Containern bekommen dann Blumenkästen“, erklärt Todorov seinen Plan. Das Gespräch mit der Passantin sei bisher der einzige Kontakt zur Bevölkerung gewesen. Gerne könnten Passanten auf ein Gespräch in den Garten kommen, sagt er. Denn er freue sich, anderen seine Pflanzen zu zeigen.

Blumen an dem Geländer der Container anzubringen, ist ein Ziel von Todor Todorov. Diese hier will er dafür aufpäppeln und vermehren.
Blumen an dem Geländer der Container anzubringen, ist ein Ziel von Todor Todorov. Diese hier will er dafür aufpäppeln und vermehren. | Bild: Mardiros Tavit