„Es trifft mich bis ins Mark“, sagt Fulco Rid. Dass er wieder einmal vergeblich zum Krötenzaun an der Kreisstraße 7744 zwischen Autenweiler und Grünwangen geradelt ist, macht ihm nichts aus. Er ist mit dem E-Bike unterwegs. Seine Betroffenheit rührt vom Rückgang der Erdkröten her, den die Naturschützer vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Markdorf schon seit Jahren an dem Waldstück beobachten.

Dort rollen die BUND-Mitglieder stets im Februar einen Krötenzaun aus. Bei steigenden Temperaturen streben die Amphibien westwärts zu ihren Laichplätzen in der Talsenke. Zumindest war das bis zu Beginn der 2020er-Jahre so, als die Amphibienschützer im Frühjahr noch verhältnismäßig viele Kröten am Zaun zählten. 2014 waren es 241, 2015 nur noch 161. Dies Abnehmen schritt weiter fort – bis die Zahl der Tiere sich nur noch im zweistelligen Bereich bewegte.

Zum Schutz der Kröten steht der Zaun an der Kreisstraße. Doch landen immer weniger Tiere in den Eimern, die die BUND-Mitglieder ...
Zum Schutz der Kröten steht der Zaun an der Kreisstraße. Doch landen immer weniger Tiere in den Eimern, die die BUND-Mitglieder aufgestellt haben. | Bild: Büsche, Jörg

Shuttle-System für Amphibien

„Wenn überhaupt, dann finden wir die Tiere nur noch im oberen Bereich des Zauns“, zeigt Fulco Rid auf das Zaunstück Richtung Grünwangen. Tatsächlich handelt es sich um eine von Erdnägeln fixierte Kunststofffolie, die, etwa wadenhoch, für die Erdkröten ein unüberwindliches Hindernis darstellt. Versuchen die Tiere nach links oder rechts auszuweichen, finden sie keinen Durchschlupf. Stattdessen purzeln sie in einen der 23 ins Erdreich eingelassenen Eimer.

Damit ist ihre Reise zum Laichplatz allerdings noch nicht zu Ende, sondern nur für ein paar Stunden unterbrochen. Denn zweimal am Tag, morgens und abends, kommen die Amphibienschützer, um die Kröten im Eimer sicher über die Straße zu bringen. Ohne diese Querungshilfe liefen sie Gefahr, unter die Räder zu kommen. „Im Feierabendverkehr ist hier mächtig was los“, erklärt Fulco Rid, mit erhobener Stimme gegen den Lärm eines vorbeifahrenden Lieferwagens anredend.

Die Folie für den Krötenzaun liefert der Landkreis, den Aufbau leisten die BUND-Mitglieder.
Die Folie für den Krötenzaun liefert der Landkreis, den Aufbau leisten die BUND-Mitglieder. | Bild: Jörg Büsche

Macht der Schutzzaun noch Sinn?

Rid hat sich Gedanken über die Situation gemacht. Die Kröten umgehen den Schutzzaun vor Grünwangen nicht etwa weitläufig. Auf den Straßenabschnitten vor und nach der Kunststoffbarriere liege keine von Fahrzeugen überrollten Tiere. Es bleibt also dabei: „Es werden einfach immer weniger“, sagt Fulco Rid über die Kröten in den Eimern an der K 7744. „Für mich stellt sich da allmählich die Frage, ob unser Zaun überhaupt noch Sinn macht.“

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Klar ist: Die Kröten nehmen keinen Umweg

Franz Beer mag hier noch keine eindeutige Antwort geben. „Die Situation ist komplex“, sagt er. Beer ist Biologe und gehört dem Vorstandsteam des BUND in Markdorf an. Es brauche Licht, höhere Temperaturen und Feuchtigkeit, damit sich die Erdkröten auf den Weg zu ihren Laichplätzen machen. Ist es kalt, ist es trocken, kann sich die Wanderungsbewegung hinausschieben.

„Dann kommt aber noch ein ganz wesentlicher Faktor hinzu“, erklärt Franz Beer: „die Nahrungssituation“. Sei die schlecht, machen sich die Kröten erst gar nicht auf den Weg. „Dann warten sie bessere Zeiten ab.“ In Anbetracht ihrer Lebenserwartung von rund 20 Jahren können sie sich solche Geduld durchaus leisten.

Für Franz Beer vom BUND-Vorstandsteam gestaltet sich die Situation „komplex“.
Für Franz Beer vom BUND-Vorstandsteam gestaltet sich die Situation „komplex“. | Bild: Jörg Büsche

Liegt der Schwund an der Nahrungsknappheit?

Dass sich nur wenige Kröten in den Sammeleimern des BUND finden, heißt also nicht zwingend, dass es im Waldstück im Osten der Kreisstraße keine Kröten mehr gibt. Beunruhigend findet Franz Beer aber auch das. Die mögliche Laich-Unwilligkeit der Amphibien könne auch ein Zeichen rückläufiger Artenvielfalt sein.

Dann gehen den Kröten die Würmer, Spinnen, Asseln und Käfer aus. „Vielleicht liegt es aber auch an anderen Dingen – zum Beispiel an der Forstwirtschaft“, zieht Beer in Betracht. Wo schwere Maschinen durch den Wald pflügen, haben Amphibien es nicht leicht.

Auch Erdkröten leiden unter der Trockenheit der vergangenen Jahre.
Auch Erdkröten leiden unter der Trockenheit der vergangenen Jahre. | Bild: Jörg Büsche

Bibiane Brauchle hilft dienstags mit ihrem Sohn

Bibiane Brauchle lässt sich nicht abschrecken. Sie betreut den BUND-Amphibienzaun an den Dienstagen. „Ich habe in der Zeitung davon gelesen und finde das eine gute Idee.“ Auch ohne Mitglied des BUND zu sein, möchte sie sich für den Naturschutz einbringen. Sie macht das nicht allein, sondern mit ihrem Sohn. „Und selbst wenn es hier oben immer weniger Kröten werden – ist der Schutz umso wichtiger“, sagt sie.

Bibiane Brauchle lässt sich vom Rückgang der Kröten nicht beirren. Sie hilft den Tieren zusammen mit ihrem Sohn immer dienstags über die ...
Bibiane Brauchle lässt sich vom Rückgang der Kröten nicht beirren. Sie hilft den Tieren zusammen mit ihrem Sohn immer dienstags über die Straße. | Bild: Jörg Büsche