Friedrichshafen – Der Ausbau des Hochwasserschutzes an der Rotach verzögert sich. Eigentlich sollte nach den Protesten gegen die 2014 vorgestellte Hochwasserschutzplanung der Stadt bis Oktober vergangenen Jahres alle Fakten zusammengetragen werden, erneut überarbeitete Pläne öffentlich vorgestellt und im ersten Quartal 2016 ein Grundsatzbeschluss im Gemeinderat gefasst werden. Geschehen ist dies nicht. Andrea Gärtner, Pressesprecherin der Stadt, teilte auf Nachfrage aktuell mit: „Eine Planfeststellung wird voraussichtlich frühestens Ende 2017 möglich sein. Die finanziellen Mittel für die Umsetzung der Maßnahme stehen planmäßig ab 2020 zur Verfügung.“ Ein Fertigstellungstermin sei derzeit unklar. Die alte Planung sah eine Fertigstellung im Idealfall 2018 vor.

Zum aktuellen Planungsstand für den ausgebauten Hochwasserschutz erläutert Gärtner: „Hochwasserschutzmaßnahmen sind entlang der Rotach in drei Abschnitten vorgesehen, beginnend an der Mündung bis nach Bunkhofen.“ Für derartige Maßnahmen seien umfangreiche Beteiligungsverfahren geplant. „Für die Genehmigungsfähigkeit solcher komplexen Vorhaben sind umfangreiche Variantenuntersuchungen notwendig und der Planungsvorlauf, die Bürgerbeteiligung sowie das daran anschließende Genehmigungsverfahren sind sehr zeitaufwendig.“

Im Juli 2014 wurde bei einer Bürgerinformation eine erste Planung vorgestellt. Hintergrund dafür war und ist, dass der Stadtbereich gegen ein 100-jähriges Hochwasser der Rotach abgesichert werden soll und muss. Die Stadt Friedrichshafen habe die Rotach zuletzt in den 1980er Jahren hochwassersicher ausgebaut, berichtet Andrea Gärtner. Die Erhöhung der Sicherheit sei jetzt notwendig, da sich der Abfluss bei einem 100-jährigen Hochwasser laut Berechnungen von 88 Kubikmeter pro Sekunde in den vergangenen 30 Jahren auf 117 Kubikmeter pro Sekunde erhöht habe – Stichwort Klimawandel – und ein künftiger Ausbau der Rotach in Bunkhofen angedacht sei.

Die Standsicherheit der Rotachdämme am unteren Lauf ist nach Auskunft der Stadt schon von 2014 bei 100-jährigem Hochwasser nicht mehr gewährleistet. Die beidseitigen Hochwasserschutzdeiche zwischen der Hans-Böckler-Straße/Steinbeisstraße und der Mündung in den Bodensee bieten keine geschützten Bereiche bei einem 100-jährigen Hochwasser, ist im Maßnahmenbericht zur Rotach in der „Hochwasserrisikomanagementplanung in Baden-Württemberg“ von 2014 nachzulesen. Mit Überflutungen durch die Rotach wäre bei einem solchen Ereignis in Siedlungs- und Gewerbegebieten ab Weilermühle südwärts über Ittenhausen, Bunkhofen und Rohrbach bis nach Friedrichshafen-Ost in den Mündungsbereich zu rechnen, heißt es im Maßnahmenbericht des Landes. Betroffen wären rund 500 Gebäude und 40 Gewerbebetriebe einschließlich Teile der ZF, berichtete die Stadtverwaltung. Das Schadenspotenzial liege bei über 30 Millionen Euro.

Ein wesentliches Merkmal der Planung von 2014 war, dass sich die Stadtverwaltung auf das Stadtgebiet konzentrierte und eine Festigung und Erhöhung der Hochwasserwälle oder durch Spundwände vorsah. Denkbare ergänzende Lösungen zur Entschärfung von Fluten am oberen Lauf der Rotach, in Oberteuringen oder im Deggenhausertal, wurden bedacht, aber neues wurde hier damals nicht eingeplant, da die Stadt Friedrichshafen dort keine Planungshoheit hat. In der Folge der öffentlichen Vorstellung gab es heftige Diskussionen. Die „Bürgerinitiative für den Erhalt der Rotach-Allee“ am Unterlauf übergab im September 2014 knapp 1500 Unterschriften an Oberbürgermeister Andreas Brand, weil sie gegen die Fällung der Bäume entlang der Rotach aufgrund der neuen Hochwasserwälle bzw. -spundwände ist.

Eine weitere Initiative verlangte im Oktober 2014 mit knapp 400 Unterschriften einen besseren Hochwasserschutz im Bereich Bunkhofen. Dort gibt es laut Gärtner auch natürliche Überflutungsflächen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte im Oktober vergangenen Jahres erneut über die Stadtgrenzen hinauszugehen und schlug vor, einen Hochwasserentlastungsstollen im Bereich der Gemeindegrenzen von Oberteuringen nach Friedrichshafen zu bauen, der Hochwasser ins Riedbachtal leitet, um es dort aufzustauen und dann nach dem Hochwasserereignis gezielt abzuleiten.

Zur Situation mit dem bestehenden Schutz meinte Gärtner: „Die Stadtverwaltung schätzt die Lage als ernst ein, deswegen berücksichtigt die Planung für die Hochwassersicherung der Rotach einen Klimazuschlag und die Verwaltung führt regelmäßige Gewässer- und Baumkontrollen sowie allgemeine Unterhaltungsmaßnahmen im Stadtgebiet durch. Innerhalb des Hochwasserrisikomanagements werden vorbeugend Maßnahmen umgesetzt. Hierunter fällt der Alarm- und Einsatzplan der Stadt Friedrichshafen. Für den operativen Hochwasserschutz ist die Feuerwehr zuständig.“

Hochwasser in Folge von Starkregen oder Schneeschmelze wirkt natürlich auch auf andere Bach- und Flussläufe. In Häfler Stadtgebiet ist dies vor allem die Brunnisach. Sie würde bei 100-jährigen Hochwassern zu Überflutungen in Kluftern und Fischbach führen. „Für die Brunnisach gibt es derzeit keine Planung für weiteren Hochwasserschutz“, erklärte Andrea Gärtner auf Nachfrage.

Verkehr

Nach dem Maßnahmenbericht „Bodensee-Hegau – Anhang III“ in der „Hochwasserrisikomanagementplanung in Baden-Württemberg“ ist bei einem 100-jährigen Hochwasser in Friedrichshafen damit zu rechnen, dass neben etlichen Nebenstraße auch Hauptverkehrswege teilweise überflutet werden: B¦30, B¦31, L¦328a (Lindauer Straße, Eckenerstraße, Allinger Straße), die K¦7728 (Flugplatzstraße) sowie K¦7735 zwischen Friedrichshafen und Ittenhausen wären durch die Rotach betroffen und im Bereich der Brunnisach in Fischbach die B¦31 sowie in Kluftern und Efrizweiler die ¦L328b (Markdorfer/Klufterner Straße). Im Zugverkehr könnte es zu Sperrungen durch vollgelaufene Unterführungen kommen. (wex)

Faltblatt mit Tipps für Gewässeranlieger

Ein neu aufgelegtes Faltblatt der WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung gibt Gewässeranliegern Ratschläge für nachhaltigen Umgang mit Gewässern beim eigenen Grundstück und informiert darüber, wie etwas für den Hochwasserschutz geleistet werden kann. Laut Mitteilung der Friedrichshafener Stadtverwaltung wurde das Faltblatt mit Unterstützung von Baden-Württembergs Kleingartenverbänden entwickelt. Die Inhalte basieren auf gesetzlichen Vorgaben des Bundes und des Landes Baden-Württemberg.

Wer ein Grundstück am Gewässer hat, kann sich glücklich schätzen: Gewässeranlieger haben ein Stück Natur und Erholung vor der Haustür. Damit geht aber auch eine gewisse Verantwortung einher. Falsches Verhalten kann zu negativen Eingriffen in das Ökosystem und zu Hochwasserschäden führen. Ablagerungen von Holz, Schnittgut und anderen Gegenständen können Abflusshindernisse bilden und damit das Hochwasserrisiko erhöhen. Die Wasserentnahme mit Pumpen oder der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger verursachen einen erheblichen Eingriff in das Fließgewässer. Mit dem richtigen Verhalten können Gewässeranlieger zu mehr Natur und zu mehr Hochwasserschutz beitragen.

  • Einige Fakten: Eigentümer von Bächen und Flüssen sind Gemeinden, Städte oder das Land. Sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, naturnahe Gewässer zu erhalten oder zu schaffen.
  • Lagerung von Kompost, Holz, Bauschutt sowie der Bau von Anlagen ist nur mit ausreichendem Abstand zum Gewässer (innerorts mindestens fünf Meter, außerorts mindestens zehn Meter) zulässig. Ablagerungen und Bauten erhöhen das Hochwasserrisiko.
  • Wasserentnahme ist nur mit Handschöpfgeräten (zum Beispiel Gießkanne oder Eimer) erlaubt. Die Entnahme mit Pumpen bedarf einer rechtlichen Zulassung, da dies vor allem im Sommer einen massiven Eingriff in das Ökosystem Gewässer bedeutet.
  • Die Anwendung und Lagerung von Pflanzenschutzmitteln und Dünger in einem Abstand von fünf Metern zum Gewässer ist verboten. Diese Stoffe schädigen den Lebensraum Gewässer.
  • Ein naturnahes Ufer schützt ein Grundstück. Daher ist eine Befestigung der Ufer mit Mauern oder sonstigen Materialien nicht zulässig.

Weitere Informationen über Rechte und Pflichten von Gewässeranliegern liefert das Faltblatt „Tipps und Informationen für Gewässeranlieger“, das über die Stadtverwaltung Friedrichshafen oder über die WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung bezogen werden kann: www.wbw-fortbildung.de