Fast 100 Stellungnahmen zur geplanten Erweiterung des Landschaftsschutzgebiets Tettnanger Wald sind beim Landratsamt Bodenseekreis eingegangen. Einzelpersonen, Verbände und Organisationen haben sich geäußert. "Wir haben die eingegangenen Kritikpunkte zunächst einmal grob gesichtet, um einen Überblick zu bekommen", sagt Irmtraud Schuster, die zuständige Dezernentin für Umwelt und Technik. Mit der Bearbeitung der Einwendungen geht das Verfahren jetzt in die nächste Runde. Unter den Kritikern des Vorhabens sind etwa Landwirte, die sich dagegen wehren, auf ihren Flächen nicht mehr selbstbestimmt wirtschaften zu können. Auch die Gemeinderäte von Tettnang, Langenargen und Eriskirch stimmten gegen die Pläne.
Für die Ausweitung hatte sich Anfang Dezember eine breite Koalition aus Naturschützern ausgesprochen. "Die Naturschutzverbände begrüßen und unterstützen die Unterschutzstellung des Tettnanger Waldes und der angrenzenden Feldfluren", hieß es in einem Brief, der im Namen von Verbänden wie Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Naturschutzbund, Schwäbischer Albverein und Jagd- und Fischereiverband ans Landratsamt ging.
Doch diese Allianz böckelt. "Wir sind vom BUND dazu gar nicht gefragt worden", sagt Hans Piller, Vorsitzender der Ortsgruppe Tettnang des Schwäbischen Albvereins. "Der Schwäbische Albverein hat sich aus dieser Sache herausgehalten." Positiv stehe der Verein der geplanten Ausdehnung nicht gegenüber. Der Verein unterhält in der Gegend ein ausgedehntes Wanderwegenetz. Es führt sowohl durch die geplante Kernzone als auch über Privatwiesen von Landwirten. "Für uns ist ein Sperrgebiet, in dem man nicht mehr wandern kann, schwierig", sagt Piller.
Die künftige Sperrzone stört auch die Jäger. "Gerade wenn Bodenbrüter wie die Heidelerche geschützt werden sollen, ist es ein Muss, Schwarzwild oder Dachse zu jagen", sagt der Tettnanger Kreisjägermeister Reinhold Baumann. "Bodenbrüter und ihre Fressfeinde gleichzeitig zu schützen, macht gar keinen Sinn." Fuchs, Wildschwein und Dachs haben in den relativ kleinen Wäldern der intensiv genutzten Landschaft am Bodensee keine natürlichen Feinde – schlecht für die Tiere am anderen Ende der Nahrungskette. "Was die Jäger machen, ist aktiver Artenschutz", sagt Baumann. Dass die Jägerschaft sich dem Schreiben der anderen Naturschutzverbände angeschlossen hatte, sei auf ein internes Missverständnis zurückzuführen.
Die Jäger wenden sich auch gegen den Nassabbau von Kies, der in dem neu definierten Landschaftsschutzgebiet möglich wäre. Er gefährde das Waldleben im Kerngebiet: "Da werden Flächen wieder aufgerissen, in denen sich schon wieder die komplette Waldgesellschaft findet, mit Rehwild, Fuchs, Wieselarten und Feldhasen", sagt Baumann. In seiner aktuellen Stellungnahme schreibt die Jägervereinigung Tettnang: "Für viele Vogel-, Tier- und Insektenarten gingen wichtige Habitate im Kern verloren, die durch den Anschluss landwirtschaftlicher Flächen um den Tettnanger Wald nicht ausgeglichen werden können." Dazu kommt die Sorge um den Wasserschutz, etwa im Wasserschutzgebiet Untere Argen. "Der Kies ist ein natürlicher Filter für das Trinkwasser, der würde wegfallen", sagt Baumann.
Diese Sorge teilt der BUND nicht. "Die unterirdischen Wasserströme sind detailliert untersucht worden", sagt Engelbert Sachs, Kreisvorsitzender des BUND. Ihm ist ein vertiefter Kiesausbau lieber, als den Kies für die Region woanders herzuholen. "Auf lange Sicht wird diese Fläche zu einem See oder Tümpel, das hat auch einen Wert für die Natur." Gegen die Jagd, gerade auf Nesträuber, hat er nichts einzuwenden. "In unserem Kulturwald gehört die Bejagung nach unserer Sicht dazu."
Experten rechnen damit, dass es Monate dauern wird, bis alle Einwände und Fragen bearbeitet sind.
Tettnanger Wald
Das Landratsamt plant, das Landschaftsschutzgebiet Tettnanger Wald über die bisherigen Grenzen aus den 1950er Jahren hinaus zu erweitern. Ziele sind der Schutz von Tieren und Pflanzen und der Erhalt des Waldes als Naherholungsgebiet. Die Neuplanung steht im Zusammenhang mit dem Kiesabbau. Im Tettnanger Wald wird seit 1963 Kies im Trockenabbau gewonnen. Das Regierungspräsidium Tübingen hat den Abbau im Grundwasser unter der Bedingung genehmigt, dass der Widerspruch zur Verordnung des Landschaftsschutzgebiets aufgehoben wird. Die neue Verordnung würde dieser Bedingung Rechnung tragen. Das für den Nassausbau erforderliche Planfeststellungsverfahren beginnt gerade.
Informationen im Internet: www.bodenseekreis.de/umwelt-landnutzung/natur-landschaftsschutz/schutzgebiete.html