Wenn es Nacht wird, leuchten drei geheimnisvolle Linien aus dem Hopfengarten, der an das Hopfenmuseum in Tettnang angrenzt. Blau und rot glimmend, wirken sie leicht futuristisch, aber gar nicht fehl am Platz. Wenn Franz John sie ausschaltet, fehlt auf einmal etwas. „Die Drähte bezeichnen die Kraftlinien des Hopfengartens„, sagt Franz John, der für die Installation verantwortlich ist.

Befestigungen für den Hopfengarten als Kraftlinien
Er hatte zunächst eine andere Konzeption für das Kunstwerk geplant. „Aber ich habe mich den Strukturen des Gartens angepasst.“ Seine Kraftlinien sind im Alltag der Hopfenbauern die Befestigungen, die das ganze Feld vom Rand aus halten. Auch die Farben sind kein Zufall. „Rotes und blaues Licht können Pflanzen gut verwenden, grünes nicht, deshalb reflektieren sie es.“

Hopfen als Basis für Abschlussausstellung im Herbst
Franz John ist der 38. Stipendiat der ZF-Kunststiftung. Er arbeitet seit Februar im Turmatelier im Zeppelin Museum in Friedrichshafen. „Ressource Farbe“ heißt sein Projekt. Um seine Lichtinstallationen zu betreiben, baut der Berliner Künstler Solarzellen aus einheimischen Nutzpflanzen. Für die Abschlussausstellung im Herbst nutzt er Tettnanger Hopfen. „Ich habe mit verschiedenen Sorten experimentiert und der Tettnanger Hopfen hatte den höchsten Wirkungsgrad.“ Er verwendet dabei die Technik der Grätzelzellen oder Farbstoffsolarzellen: Der Farbstoff wird aus den Pflanzen gelöst und mit Metalloxid und Grafit zwischen Glasplatten gepresst. Durch Fotosynthese entsteht Energie, die John für seine Kunst nutzt.
Jury der ZF-Kunststiftung von Bezug zur Region angetan
Die Jury der ZF-Kunststiftung habe die Verbindung von Kunst, Wissenschaft und Nachhaltigkeit fasziniert, sagt Regina Michel, Geschäftsführerin der ZF-Kunststiftung: „Uns hat auch gefallen, dass Franz John immer den Bezug zur Region sucht, in der er arbeitet, und so spannende und außergewöhnliche Projekte realisiert.“ Schon bei der Bewerbung habe John sich nach Geschichte und Landwirtschaft in der Region erkundigt und sei so auf den Hopfen als Ressource gestoßen.

Lukas Locher stellt Hopfenlaub zur Verfügung
Den Hopfen bekommt er vom Hopfengut Nº20 in Siggenweiler bei Tettnang. Inhaber Lukas Locher hat das Projekt gleich begeistert. „Wenn wir etwas im Überfluss haben, ist das Hopfenlaub, wir brauchen ja nur die Dolden“, sagt er. „Die Grundidee, daraus Energie zu gewinnen, ist sehr reizvoll, auch wenn das vielleicht noch Zukunftsmusik ist.“

Kunstwerk Hingucker bei bierkulinarischen Führungen
Auch das Kunstwerk im eigenen Hopfengarten gefällt ihm. „Unsere bierkulinarischen Führungen enden ja erst spät abends, da ist das ein Hingucker für die Gäste auf dem Weg.“
Franz John erfährt viel über den Hopfenanbau
Franz John hat viel über den Hopfenanbau gelernt. Etwa, dass der Sommer erst vorbei ist, wenn der Hopfen geerntet wird. Dass ein Hopfengarten innen sehr beweglich ist, um Wind und Wetter gewachsen zu sein. Und wie es sich anfühlt, in einer Hopfengondel in den Wipfeln unterwegs zu sein. Sein Kunstwerk ist nicht nur ein Vorgeschmack auf die Ausstellung im Oktober, sondern auch ein Dank an Lukas Locher. Den freut dies aus einem Grund besonders: „Die Installation ist ein schönes Geburtstagsgeschenk – wir feiern ja 2019 175 Jahre Hopfenanbau in Tettnang.“ Bis zur Ernte soll es weiter blau und rot im Hopfengarten leuchten.
Farbstoffsolarzellen
Pflanzensolarzellen machen sich die Fotosynthese zunutze: Pflanzen leben von Wasser, Kohlendioxid und Licht. Durch die Lichtenergie verbindet sich das über die Wurzeln aufgenommene Wasser mit Kohlendioxid zu Glucose, der Sauerstoff der Luft wird freigesetzt. Farbstoffsolarzellen wandeln Lichtenergie in elektrische Energie, indem sie zur Absorption pflanzliche Farbstoffe wie Chlorophyll nutzten. Ein Elektrolyt leitet die Energie ab, die die Pflanze sonst in Glucose umbauen würde. Michael Grätzel entwickelte die nach ihm benannte Grätzelzelle an der École Polytechnique Fédérale Lausanne in den 1980er Jahren und ließ sie sich 1992 patentieren. Grätzelzellen lassen sich vergleichsweise leicht, preiswert und mit wenigen Rohstoffen herstellen, haben aber einen geringeren Wirkungsgrad als Fotovoltaik-Anlagen mit Silizium. An einer Weiterentwicklung des Prinzips forschen verschiedene Institute.