„Für mich ist das ein Fall moderner Wegelagerei“, ärgert sich Ariane Wenig. Die Häflerin wurde vergangenen Donnerstag auf dem Weg zum Pfänder an der österreichischen Autobahnausfahrt Lochau von der „Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Gesellschaft AG“, kurz Asfinag, kontrolliert. Weil sie keine gültige Vignette hatte, soll sie nun 120 Euro zahlen. Ärgerlich, aber eigentlich ein normaler Vorgang.
Doch an diesem Donnerstag war alles anders: Während Ariane Wenig mit ihrer Freundin aus Friedrichshafen nach Bregenz unterwegs war, ereigneten sich auf der A 96 zwischen Lindau und Sigmarszell und der B 31 westlich der Anschlussstelle Lindau zeitgleich mehrere schwere Unfälle. Beide Straßen mussten gesperrt werden. „Die Folge war ein totaler Verkehrskollaps, denn an diesem Donnerstag in den Osterferien wälzte sich der Urlaubs- und Berufs-, Lastwagen- sowie Ausflugsverkehr über die Straßen“, sagt Ariane Wenig und fügt hinzu: „Nichts ging mehr, in den Autos weinende Kinder und es ging auf der A 96 keinen Meter vorwärts.“ Die beiden wollten sich eigenen Angaben zufolge auf der Ausfahrt nach Lindau einfädeln, doch auch hier herrschte Stillstand.
„Wir fuhren also weiter, um einen totalen Verkehrskollaps zu vermeiden. Wie einige andere Autofahrer auch waren wir bis zur ersten Abfahrt vor dem Pfändertunnel in Richtung Lochau unterwegs und bogen dort ab“, erzählt die Häflerin. Dort erwartete sie allerdings eine Kontrolle der Asfinag. „Kontrolleure zogen alle Fahrzeuge ohne Pickerl raus. Mitten in einer Kurve mussten die Autos links und rechts rausfahren. Es war total chaotisch und auch gefährlich“, erzählt Ariane Wenig. Innerhalb von fünf Minuten hätten die Kontrolleure allein zehn Autos rausgezogen. „Jeder, der ohne Vignette unterwegs war, musste 120 Euro Strafe bezahlen“, empört sie sich und zeigt den Beleg der Asfinag vor. In ihren Augen haben die Kontrolleure damit eine unvorhergesehene Notsituation ausgenutzt. „Wo ist da die Verhältnismäßigkeit? Es herrschte das totale Verkehrschaos. Statt den Verkehr zu entzerren, wird man noch fett abkassiert“, ärgern sich die beiden Freundinnen über das in ihren Augen wenig professionelle Vorgehen der Asfinag unter den Gesamtumständen.
Die Asfinag wehrt sich gegen den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit. „Unsere Kontrolleure waren an diesem Tag eigentlich in Hörbranz eingesetzt. Wegen des Unfalls auf der Autobahn hörten sie dann aber dort auf und kontrollierten in Lochau“, erklärt René Tonini, Asfinag-Regionalleiter Region West. Nachdem sich die ersten Autofahrer beschwerten, seien sie dann aber wieder abgezogen. „Insgesamt kontrollierten unsere Mitarbeiter nur 32 Minuten lang in Lochau“, erläutert Tonini und fügt hinzu, dass der Einsatz eben wegen der fürchterlichen Verkehrssituation abgebrochen worden sei. Wer allerdings in dieser Zeit kontrolliert wurde, wird wohl die Strafe von 120 Euro zahlen müssen. „Natürlich können sich Betroffene an die Asfinag wenden und sich beschweren“, so Tonini. Wie hoch die Aussichten auf Erfolg allerdings sind, mag er nicht einzuschätzen.
Ariane Wenig fühlt sich ungerecht behandelt. „Ich werde mich über das Vorgehen der Kontrolleure beschweren, weil die Strafe in solch einer Situation einfach unverhältnismäßig ist.“
Mobile Überwachung
Die österreichische „Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Gesellschaft AG“, kurz Asfinag, hat in ganz Österreich 120 Mitarbeiter, die für die Vignettenkontrollen zuständig sind. Daneben gibt es aber auch acht Kameras, die zur Kontrolle der Vignettenpflicht eingesetzt werden. Von den insgesamt 187 000 Pickerl-Verstößen in ganz Österreich 2015 wurden allein 120 000 durch diese mobile Überwachung entdeckt. Die Kameras sind mobil einsetzbar und werden auf Autobahnen und Stadtautobahnen in ganz Österreich aufgestellt.