Barbara Fülle

Kurz vor Mitternacht fehlt auf der Bühne im Graf-Zeppelin-Haus nur eines: ein Taschentuch. Bei Sabrina Heiß fließen die Tränen, und so sehr Moderator Rolf Benzmann auch mit dem Mikrofon schwenkt, aus der eben gekrönten Bodensee-Apfelkönigin ist kein Laut mehr hervorzubekommen. Überwältigt von ihrem Wahlsieg sitzt sie auf einem Thron, flankiert von den beiden lächelnden Apfelprinzessinnen Lisa Brielmayer und Ann-Kathrin Kolb, die ihren erfolgreichen Durchgang durch die dreistündige Castingshow weitaus cooler nehmen. Als sich auch die andern drei Kandidatinnen zum Abschlussfoto um den Thron scharen, kann Benzmann der neuen, tränenerstickten Regentin doch noch ein paar verständliche Worte entlocken: "Jetzt ist erst mal Party."

Die Wahl der Bodensee-Apfelhoheiten, veranstaltet von der Erzeugergemeinschaft "Obst vom Bodensee", wartete diesmal mit einem neuen Konzept auf und blieb dennoch in der gewohnten Spur: Die jungen Frauen müssen nicht in vielen Outfits, sondern vor allem in der Beantwortung vieler Fachfragen gute Figur machen. Einziger Laufsteg: ihr Einzug in den Saal durch die dicht gefüllten Zuschauerränge. Der Musikverein Kressbronn schmettert "Horch, was kommt von draußen rein", die Aspirantinnen folgen einer genau abgezirkelten Choreografie und tanzen auch sonst nicht aus der Reihe: Hochgesteckte Haare, Dirndl aus der Edelschneiderei – mit der künftigen Arbeitskleidung einer Apfelhoheit hätte jedenfalls keine der sechs Kandidatinnen ein Problem.

Dann wird auf der Bühne ganz in "Wetten, dass?"-Manier eine Couch aufgefahren. Auf der fischt Moderator Benzmann nach privaten Bekenntnissen der Mädels. Keine ist auf den Mund gefallen. Man erfährt, dass Sonja Müller gerne mal Formel-1-Fahrerin wäre, weil sie auch auf dem Traktor immer einen Tick schneller drauf ist. Dass Jasmin Büchele nein sagt zu Tierquälerei. Und dass Regina Kininger nicht nur auf dem elterlichen Hof mithilft, sondern auch bei den Pfadfindern. Zupackend, bodenständig, mit dem Apfelanbau aufgewachsen sind alle sechs Bewerberinnen. Das weitere Portfolio – rhetorische Begabung, Charme, landwirtschaftliches Fachwissen – dürfen sie im weiteren Verlauf des Abends in Spielshows entfalten, die unverkennbar aus Klassikern der Fernsehunterhaltung entlehnt sind. Selbst "Dalli-Klick" wird restituiert, als auf dem Bühnenhintergrund ein Puzzle erscheint, dessen Einzelteile verdeckt sind und nach und nach offengelegt werden. Meist braucht es nur ein, zwei Klicks, bis die Kandidatinnen hinter den geheimnisvollen Bildausschnitten den Apfelwickler oder die Apfelkrankheit Stippe erkennen.

Überhaupt wird in der Show ein breites Fachwissen in größtmögliche Unterhaltung verpackt. Aufwendige Requisiten werden dazu hin- und hergeschoben. Und die Kandidatinnen glänzen. Jasmin Büchele weiß traumwandlerisch sicher über die bioaktiven Substanzen des Apfels Bescheid, Ann-Kathrin Kolb über den richtigen Zeitpunkt des Mulchens. Nur Sabrina Heiß versagt beim Apfel-Memory, als sie sich das Legemuster verschiedener Sorten einprägen soll und beim Nachbau fast alles verdreht. Ihren Sympathiewerten tut das keinen Abbruch.

Dann darf das Publikum wählen, und während der Auszählung der Stimmen lassen die bisherigen Apfelhoheiten Jennifer Kreinacker, Ines Klotz und Michaela Herz ihre zweijährige Regentschaft in Gedichtform und einer Bildershow Revue passieren. Der charmante Auftritt zeigt: So ein royaler Terminkalender hat's in sich. Bis ins Kanzleramt hat es das Trio geschafft, samt Gruppenbild mit Angela Merkel und Sigmar Gabriel. Am Ende macht es Helmut Jäger, Vorsitzender der Obstregion Bodensee, richtig spannend, als er mit drei Umschlägen die Bühne betritt. Wer wird für die nächsten zwei Jahre die Bodenseeregion als zweitgrößtes Apfelanbaugebiet in Deutschland repräsentieren? Bibbern – Jubel – Tränen. Für die Kandidatinnen war an diesem Abend alles drin. Und fürs Publikum ebenso, das nicht zuletzt auch von Bauchredner Peter Moreno und den KAU-boyz mit Gesangssolistin Maria Jäger glänzend unterhalten wurde.

 

Zur Person

Sabrina Heiß, die neue Bodensee-Apfelkönigin, kommt aus Markdorf und weiß aus eigener Erfahrung, wieviel Erzeugermühe hinter der gesunden Frucht steckt: Die 21-Jährige ist selbst Landwirtin, absolviert derzeit die Meisterschule und wird sie voraussichtlich im November abschließen. In ihrer Freizeit engagiert sie sich bei der Feuerwehr Riedheim.

Ihr zur Seite stehen die Apfelprinzessinnen Lisa Brielmayer und Ann-Kathrin Kolb. Brielmayer ist 18 Jahre alt, kommt ebenfalls aus Markdorf und macht eine landwirtschaftlich-gärtnerische Ausbildung im Obstbau. Kolb ist auf einem Obsthof in Meckenbeuren aufgewachsen, die 21-Jährige hat sich nach dem Abitur für eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten entschieden. (baf)