Bei einer beeindruckenden Gedenkfeier haben der Stettener SPD-Ortsverein und die Jungsozialisten des Landkreises Sigmaringen am 20. März an die Einrichtung des Konzentrationslagers (KZ) Heuberg von genau 90 Jahren erinnert. Ort des Geschehens war das Mahnmal bei der Dreitrittenkapelle, das der SPD-Landesverband Baden-Württemberg vor 50 Jahren aus gleichem Anlass im Jahre 1983 errichten ließ.
Schnell eines der größten Konzentrationslager
„Denn gedacht soll ihrer werden – Zur Erinnerung an alle die während der Herrschaft des Nationalsozialismus im Lager Heuberg gequält und geschunden wurden“. Mit diesen mahnenden Worten der Inschrift der Gedenkstätte am Rande des Truppenübungsplatzes eröffnete Lukas Graf die Gedenkfeier. Und genau das wolle man tun, sagte Graf: „Der Opfer und den Geschundenen gedenken“. Im Beisein des SPD-Bundestagsabgeordneten Robin Mesarosch, einer kleinen Abordnung der Bundeswehr sowie etlicher Gäste zeichnete Graf die Entwicklung des KZ Heuberg nach, das schon einen Monat nach seiner Eröffnung das größte KZ im Deutschen Reich gewesen sei. Der Vorsitzende der Jusos erläuterte, dass Stetten zu den frühen Lagern gehört habe, das schon knapp zwei Monate nach Hitlers Machtergreifung eröffnet worden war: „Der Hauptzweck war die Ausschaltung jeden wirklichen und vermuteten Gegners der nationalsozialistischen Herrschaft. Absondern, diffamieren, entwürdigen, zerbrechen und vernichten“, sagte Graf. Damit sei das KZ Heuberg die Entwicklungsstufe in einem KZ-System gewesen, dessen letzte Stufe Auschwitz, Dachau und Dora-Mittelbau waren.
Kindererholungsheim wurde umfunktioniert
Weil die Gefängnisse mit politischen Gegnern schon bald überfüllt waren, sei das KZ Heuberg schnell benötigt worden, führte Graf die Tage vor Augen, in denen das frühere Kindererholungsheim innerhalb kürzester Zeit zum KZ umfunktioniert worden war. „Die ersten Häftlinge, mussten zuerst ihre eigenen Strohsäcke füllen, danach die Strohsäcke für die Nachkommen, um wenigstens ein Bett zu haben“. Harte Arbeit, wenig Essen, kaum Wasser und das Verrichten der Notdurft in Eimern auf der Stube seien an der Tagesordnung gewesen. Schon in den Anfängen sei „das System des Quälens, der Einschüchterung, der Demütigung, der körperlichen und seelischen Misshandlung stark ausgeprägt“ gewesen, erklärte Graf.
Terror der SA-Leute erlebt
So berichtete zum Beispiel der aus Mannheim stammende Franz Bönning: „Im Block selbst begann das Verhör der Gefangenen. Alle mussten sich mit dem Gesicht gegen die Wand stellen, von SA-Leuten bewacht. Dann wurde jeder einzelne zum Verhör gerufen. Während der Gefangene mit dem Gesicht gegen die Wand stand, wurde er schwer in die Kniekehlen und in das Gesäß getreten, der Kopf wurde ihm an die Wand geschlagen, hin und wieder ein Gefangener genommen und die Treppe hinuntergeworfen. Auch wurden ihm die Haare geschnitten; dabei musste er in die Kniebeuge gehen, während ein SA-Mann die Prozedur des Haarschneidens vornahm. Wenn der Gefangene dabei erschöpft umfiel oder sich sonst nicht mehr in der Kniebeuge halten konnte, blieben Teile der Kopfhaut an der Schere hängen.“ Auch Hans Rueß, KPD-Stadtrat aus Esslingen, schilderte, dass schon bei der Ankunft Schläge von allen Seiten auf die Gefangenen nieder gingen: „Die SA bildete eine Gasse, Spießrutenlaufen. Vor dem Bau steht ein Hydrant. Ein armdicker Strahl quillt heraus. Kleider ausziehen, schallt das Kommando. Mann für Mann wird von zwei SA-Männern unter den Wasserstrahl getaucht. Halb bewusstlos, zitternd, frierend, taumeln die Misshandelten zu ihren Kleidern. Dann werden sie die Treppen hochgejagt, oben angekommen, mit Gummiknüppeln empfangen und wieder hinuntergetrieben, unten wieder hochgetrieben.“

Die Folter unter dem Wasserhydranten, das Eintauchen in den Brunnentrog, das Abspritzen mit dem unter hohem Druck stehenden Schlauch und das Abreiben mit Scheuerbürsten, sei eine Heuberger Besonderheit gewesen, durch die auch der einzige nachweislich im KZ Heuberg verstorbene, Simon Leibowitsch, am 9. September 1933 ums Leben gekommen war, erinnerte Graf.
Von den Zeugnissen tief berührt bekamen die Zuhörer dann spätestens beim Abspielen des Liedes „Wir sind die Moorsoldaten“ von Hannes Wader eine Gänsehaut. Gemeinsam mit Robin Mesarosch legte Graf nach einem Gebet am Mahnmal ein Blumengebinde nieder und beendete eine Gedenkfeier, die den Anwesenden unter die Haut gegangen ist.