Ungewöhnlich heftig, ja richtig wütend, erlebten die Mitglieder des Kreistages Landrätin Stefanie Bürkle bei der Sitzung am Montagnachmittag, als es um das Thema der medizinischen Versorgung des ländlichen Raumes ging. Der Zorn der Kreischefin richtete sich gegen Versäumnisse der Bundespolitik, die Ignoranz der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) für die Situation des Ländlichen Raumes, ausbleibende Zahlungen der Krankenkassen sowie ein medial verbreitetes Krisenszenario für das SRH Krankenhaus Sigmaringen, ausgelöst durch ein Statement des SPD-Bundestagsabgeordneten Robin Mesarosch. Der Parlamentarier hatte am Wochenende von einer existenziellen Krise beim heimischen Krankenhaus gesprochen, was nach Angaben von Landrätin Bürkle für große Unsicherheit gesorgt hatte. Dass der Parlamentarier die heimischen Kommunalpolitiker geradezu als dämlich hinstelle, empfinde sie als Unverschämtheit, donnerte Bürkle unter dem Beifall des Kreistages. „Die Menschen müssen sich keine Sorgen machen, denn die Gesellschafter stehen verlässlich zur Klinik“, erklärte die Landrätin und wies auf den Neubau in Sigmaringen hin, der im August in Betrieb gehen soll. Zudem würden zwölf Millionen Euro in die Medizintechnik investiert und vom Land liegt bereits eine Förderzusage über 5,7 Millionen Euro für die Maßnahmen zur Digitalisierung vor.
SHR Klinik macht Verlust
Finanziell sei die Lage ernst, konstatiert Bürkle. So wie drei von vier Krankenhäuser in Baden-Württemberg Verluste machten, weise die SRH Kliniken GmbH ein Minus von sieben Millionen Euro auf. „Eile tut Not“, machte die Kreischefin deutlich, dass schnelle Finanzhilfen für die baden-württembergischen Krankenhäuser jetzt benötigt werden und man nicht auf die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Strukturreform vertröstet werden darf. Angesichts der Besetzung des ministeriellen Expertengremiums mit vorwiegend Vertretern von Universitätskliniken schwant Bürkle, dass diese womöglich den Ländlichen Raum nicht im Blick haben.
Bürgermeister berichten über Erfahrungen mit Kassenärztlicher Vereinigung
Und auch etliche Kreisräte ließen ihren Zorn über die aus ihrer Sicht völlig unzureichende Bundespolitik sowie das Gebaren der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) freien Lauf. Maik Lehn, Bürgermeister von Stetten a.k.M., berichtete von frustrierenden Telefonaten mit KV-Vertretern, die ihm von angeblich belegten Arztsitzen erzählten, die „aber nur auf dem Papier stehen und nichts mit den Menschen zu tun haben.“
Hermann Brodmann (Bündnis90/Die Grünen) wies auf die Probleme bei der Notfallaufnahme hin, mit nicht funktionierenden Notfallnummern. Die Verantwortung für diese Missstände liege aber nicht beim Landkreis, brach Brodmann, der seit einem Jahr Patientenfürsprecher in der SRH Klinik Sigmaringen ist, auch eine Lanze für die Geschäftsführung. Immer wieder würden sich Patienten mit durchaus berechtigten Beschwerden an ihn wenden, und oftmals finde man im konstruktiven Dialog mit der Geschäftsführung eine Lösung.
Arzt fordert 60 000 Euro von Kommune
Von einer weiteren Facette beim Thema Gesundheitsversorgung berichtete Sigmaringens Bürgermeister Marcus Ehm. Ein Arzt habe von der Stadt „60.000 Euro auf die Hand“ gefordert, damit er eine Bestandspraxis in Sigmaringen übernimmt. Nachdem er in der Kreisstadt keinen Erfolg hatte, habe sich der Mediziner in einem Nachbarkreis angesiedelt. „Diese Entwicklung ist bedenklich“, erklärte Ehm, dass dieses Gebaren auch mürbe mache. „Solche Dinge erleben wir auch“, ergänzte Doris Schröter, Bürgermeisterin von Bad Saulgau und Vorsitzende der Freien Wähler. Sie warf der Kassenärztlichen Vereinigung „totales Versagen“ vor, die sich aus ihrer Verantwortung „herauswinde“. Ob fehlende Erzieher, Pflegekräfte oder Lehrer – überall herrsche Notstand und die kommunale Ebene solle es richten. „Wir tun, was wir können“, erklärte Schröter unter dem Beifall ihrer Kreistagskollegen. „Das System ist krank“, brachte Landrätin Bürkle die Situation auf den Punkt.