In einem dramatischen Aufruf appelliert FW-Stadtrat Jobst Florus an seine Ratskollegen, die Mitglieder des Kreistages, Bürgermeister Ralph Gerster, Landrätin Stefanie Bürkle sowie die SRH Geschäftsführung endlich Lösungen für die Nachnutzung des geschlossenen Krankenhauses zu präsentieren. Versprochen wurde die Einrichtung eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) und eines Primärversorgungszentrums (PVZ), um die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Dazu notwendig wäre die Ansiedelung wichtiger Arztsparten, weist Florus im SÜDKURIER-Gespräch auf den Facharztmangel in Pfullendorf hin.
FW-Wähler-Gemeinderat erinnert SRH an Zusagen

Der Gemeinderat und Frauenarzt Dr. Jobst Florus hatte im vergangenen Jahr signalisiert, dass er sich in ein PVZ einbringen würde. Die aktuelle Situation beschreibt er so: Sowohl in den Gutachten über die Weiterentwicklung des medizinischen Angebots für die Krankenhäuser Pfullendorf und Bad Saulgau sei als Ersatz der vollstationären Versorgung eine niederschwellige Versorgung durch ein Primärversorgungszentrum und medizinischen Versorgungszentrums gedacht. Es gebe zahlreiche gleichlautende Stellungsnahmen der SRH, des Kreistags, des Gemeinderats und auch des ehemaligen Bürgermeisters Thomas Kugler zu diesem Komplex.
„In letzter Zeit ist es aber still geworden zu diesem Thema. Mehr reflexartig wird das neue geplante Szenario wiederholt, ohne dass ein Schritt mehr zur Realisierung erfolgt ist“, konstatiert Jobst Florus, dass de facto noch nichts geschehen sei und er macht deutlich: „Uns läuft die Zeit davon.“ Sollte bis zum Sommer keine Lösung gefunden sein, ist nach Überzeugung von Florus „der Markt verloffe“.
Einrichtung einer Koordinierungsgruppe gefordert
Da Pfullendorf nach dem Ausscheiden als Gesellschafter der SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH keine direkte „Handhabe“ auf das Geschehen mehr habe, könne politischer Druck quasi nur noch über den Kreistag ausgeübt werden. Deshalb fordert Florus die Einrichtung einer „Task Force“ mit dem dramatischen Namen „Rettet die medizinische Versorgung in Pfullendorf“, zu der neben Bürgermeister Ralph Gerster, proportional Vertreter des Gemeinderates Pfullendorf sowie die Kreisräte der Region gehören sollen. Als dringend wünschenswert erachtet der FW-Rat, dass Ex-Bürgermeister Thomas Kugler dabei als Mentor auftritt. Ein solches Koordinierungsgremium müsse dringend installiert werden, wirft Florus der SRH-Geschäftsführung vor, keine „erkennbaren Aktivitäten zu entwickeln.“ „Ist das ein Spiel auf Zeit und Absicht?“, stellt der Gemeinderat im SÜDKURIER-Gespräch als Frage in den Raum. Enttäuscht ist Florus, dass weder er auf seinen Lösungsvorschlag, den er SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust vorgetragen hat, noch die Stadt auf ihre Bemühungen befriedigende Antworten erhalten haben. Vonseiten der SHR gebe es auch keine Verlautbarungen, was den zeitlichen Ablauf weiterer Schritte angehe.
Gefahr der Abwanderung der Patienten nach Süden
„Die SRH ist in der Pflicht“, erinnert er an die Aussagen der Verantwortlichen während der zweijährigen Diskussionen um die Schließung der Krankenhäuser Pfullendorf und Bad Saulgau. „Die Zeit eilt. In diesem Jahr muss mehr geschehen, als 2022 nach der Schließung des Krankenhauses bisher geschehen“, macht Jobst Florus klar. Ohne MVZ sieht er die ambulante medizinische Versorgung der Bevölkerung, besonders im Facharztbereich, gefährdet. Gefahr sieht der Mediziner auch für den verbliebenen Krankenhausstandort Sigmaringen, wenn die Patienten aus Pfullendorf und Bad Saulgau ausbleiben. Sollte der Patientenstrom aus Pfullendorf wieder in den Süden abwandern, wäre das für Sigmaringen bedenklich: „Bisher waren das Krankenhaus und die Ärzteschaft Pfullendorf ein Bollwerk gegen diesen Südtrend!“
Gemeinderat hat Zusagen und Versprechungen getraut
Auf die SÜDKURIER-Frage, dass diese Entwicklung mit dem Ausscheiden von Pfullendorf als SRH-Gesellschafter absehbar war, erwidert Jobst Florus, dass man den Zusagen der SHR-Geschäftsführung und Landrätin Stefanie Bürkle vertraute, für Pfullendorf ein Nachfolgekonzept umzusetzen, unter anderem mit der Einrichtung eines Primärversorgungszentrums. Den Austritt der Spitalfonds als Mitgesellschafter bezeichnet der FW-Gemeinderat als „logisch und nötig“, nachdem Pfullendorf als Betriebsstätte der SRH weggefallen war.
SRH bestätigt Gespräche wegen Einrichtung eines medizinischen Versorgungszentrums
Auf Anfrage des SÜDKURIER erklärt die SRH-Geschäftsführung, dass man weiterhin in Gesprächen und Abstimmungen mit eventuellen Kooperationspartnern sei, um ein medizinisches Versorgungszentrum in Pfullendorf zu etablieren, ebenso mit dem Zulassungsausschuss der Kassenärztliche Vereinigung. „Ein finales Zeitfenster oder Datum für den Abschluss dieser unterschiedlichen Gespräche können wir derzeit noch nicht benennen“, antwortet Pressesprecherin Barbara Koch auf eine entsprechende Frage.
Verhandlungen wegen einer diabetischen Sprechstunde in Pfullendorf
Die SRH-Sprecherin verweist darauf, dass es seit dem 16. November 2022 in Pfullendorf ein wöchentliches Sprechstundenangebot von Dr. Dolores de Mattia, Chefärztin für Gefäß- und Endovaskulärchirurgie, SRH Krankenhaus Sigmaringen, gibt und zwar mittwochs und donnerstags, von 15 Uhr bis 19 Uhr, im ehemaligen Krankenhauses im ersten Stock. Das Angebot einer diabetischen Sprechstunde sei in Vorbereitung und derzeit in Abstimmung mit dem Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung. Auch hier stehe noch kein finales Datum für die Etablierung fest. „Sobald das Ergebnis vorliegt, informieren wir die Bevölkerung über dieses neue Leistungsangebot am Standort Pfullendorf“, erklärt Koch.
Primärversorgungszentrum wird vom Landkreis verantwortet
Der Aufbau eines Primärversorgungszentrums werde federführend vom Landkreis verantwortet, wobei SRH dieses Angebot flankierend mit begleite. Die Befürchtung von Jobst Florus, dass sich die Patientenströme aus Pfullendorf und und Bad Saulgau nicht nach Sigmaringen bewegen, teilt SRH nicht. Insofern sehe man auch perspektivisch keine Auswirkungen auf das Krankenhaus Sigmaringen.