„Aufbau von Primärversorgungsnetzwerken in den Planungsbereichen Pfullendorf und Bad Saulgau“, lautete der Titel eines Sachstandsberichts, der jüngst im Verwaltungs- und Sozialausschuss im Kreistag präsentiert wurde. Seit Schließung der Krankenhäuser in den beiden Städten vor zwei Jahren war hingegen stets die Rede, dass an den Standorten genannte Primärversorgungszentren (PVZ) eingerichtet werden sollen und der Aufbau lokaler Netzwerke wurde als erster Schritt genannt.

Viele Gesprächsrunden, Arbeitsgruppen und Steuerungsgruppen

Ausführlich erläuterte Dr. Susanne Haag-Milz, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit im Landratsamt, was in den vergangenen Monaten zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung im Landkreis Sigmaringen entwickelt wurde, initiiert aus vielen Gesprächsrunden, Arbeitsgruppen und Steuerungskreisen. Derzeit gibt es nach ihren Angaben im Landkreis 45 Hausarztpraxen, darunter sieben für den Bereich Pfullendorf, wo zudem 14 Fachärzte sowie 31 Apotheker, Pflegedienste und Therapeuten ansässig sind. Neben der Netzwerkbildung steht vor allem der Ausbau der nichtärztlichen Versorgung im Fokus.

Ortsnahe Fortbildung von medizinischen Fachangestellten

Um die Delegation von Tätigkeiten von Ärzten auf Assistenzpersonal zu fördern, wurde die Möglichkeit einer ortsnahen Fortbildung von medizinischen Fachangestellten zu nichtärztlichen Praxisassistentinnen (NäPa) geschaffen. Die SRH Pflegeschule Pfullendorf erstellte ein Konzept, das von der Ärztekammer zertifiziert wurde. Vorausgesetzt, es melden sich genügend Teilnehmer, könnte der erste Kurs im Mai 2024 und der zweite Kurs im September starten. Die Fortbildung umfasst 200 Stunden, die in mehreren Blöcken jeweils am Donnerstag und Freitag über neun Monate angeboten werden. Eine Erweiterung zur Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis (Verah) durch ein zusätzliches Online-Modul ist möglich und derzeit läuft die Rekrutierung der Fachangestellten.

Viele Gründe für das Scheitern der Primärversorgungszentren

In der Sitzungsvorlage des Kreistagsausschusses war zu lesen, dass „der Auftrag, den Aufbau von Primärversorgungszentren an den Krankenhausstandorten zu prüfen, ausgeführt wurde“. Und wenige Sätze später ist das Ergebnis des Prüfungsauftrages vermerkt. Demnach seien aus haftungs- und datenschutzrechtlichen sowie abrechnungstechnischen Bestimmungen und fehlenden Anreizen einer enge Zusammenarbeit von Primärversorgern diese Pläne nicht umsetzbar.

Kommunalpolitiker zürnen Richtung Stuttgart

„Das Netzwerk ist gut, aber die Hoffnung der Bürger war eine andere“, lobte CDU-Fraktionschef Thomas Kugler zunächst die Bemühungen der lokalen Akteure, bevor er seinem Frust über das Scheitern der PVZ-Pläne freien Lauf ließ. Diese Versprechungen seien bei den Krankenhausschließungen nur „Beruhigungspillen“ gewesen und man könne sich nicht auf Stuttgart verlassen. „Die Rahmenbedingungen verschlechtern sich immer mehr und die Akteure bewegen sich keinen Millimeter“, pflichtete ihm FW-Fraktionschef Doris Schröter bei. „Sie hatten keinen Plan, wie es weitergeht“, zürnte auch sie Richtung Stuttgart. „Diese Vernetzung ist Gold wert“, konzentrierte sich Susanne Scham (Grüne) hingegen auf die positiven Ergebnisse.

Kreisrat kritisiert große Versprechungen und Worthülsen

Landrätin Stefanie Bürkle erinnerte daran, dass in den Koalitionsverträgen in Stuttgart und Berlin die Einrichtung konkreter PVZ-Strukturen explizit aufgeführt seien. „Das Land hatte mit PVZ nichts im Sinn“, bezeichnete Meßkirchs Bürgermeister Arne Zwick (CDU) diese Ankündigung als „große Versprechungen und Worthülsen“. Land und Bund seien in der Pflicht, sich um die Gesundheitsversorgung der Menschen zu kümmern, würden sich ihrer Verantwortung aber entziehen und deshalb übernehme die Kommunalpolitik diese Aufgabe: „Wenn wir uns nicht kümmern, leidet die Bevölkerung.“ Dass im Landkreis künftig für das medizinische Personal gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden sollen, ist für Zwick ein gutes Ergebnis.

Befragung wegen Hausarztmangel

Mit Blick auf die häufig gehörte Klage von Bürgern, dass es im Landkreis Sigmaringen einen eklatanten Mangel an Hausärzten gibt, gab es in der Vorlage ein interessantes Detail. Demnach wurde im Februar und März 2022 in der Notfallambulanz des Krankenhauses eine Befragung durchgeführt und dort gaben von 3629 Patienten nur 27 an, dass sie keinen Hausarzt hätten. Die Gewinnung neuer Ärzte haben sich die Netzwerkbetreiber um die Gesundheitsmanagerin des Landkreises auf die Fahnen geschrieben, wobei Doris Schröter deutlich machte: „Die Kommunen rollen für Ärzte den roten Teppich aus.“

Ärztliche Versorgung im Landkreis Sigmaringen

Die Anzahl der Hausärzte im Landkreis Sigmaringen hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verringert. Im Planungsbereich Pfullendorf lag der hausärztliche Versorgungsgrad im Februar 2023 nur noch bei 74,2 Prozent, im Planungsbereich Bad Saulgau bei 79,2 Prozent und im Planungsbereich Sigmaringen bei 86,3 Prozent. Zu Beginn des Projekts im Juli 2022 praktizierten im Landkreis insgesamt 70 Hausärzte, wobei zehn über 60 Jahre und 15 über 65 Jahre alt waren.