Kreis Sigmaringen – Der Kreistag hat nach einer intensiv geführten Debatte bei sechs Gegenstimmen und einer Enthaltung dem Neubau der Bertha-Benz-Schule auf dem Küchenäcker neben dem Krankenhaus zugestimmt. Der Vorzug eines Neubaus ist vom Kreistag bereits im vergangenen Jahr beschlossen worden. Reichlich kontrovers ist im Gremium über den zukünftigen Standort debattiert worden: Mühlberg West und Küchenäcker waren dabei in die engere Auswahl gelangt.

Die Kreisverwaltung konnte sich bei ihrer Favorisierung für den Küchenäcker auch auf das Votum der Schulleitungen der beruflichen Schulen stützen. Ihr geschäftsführender Schulleiter Christian Roth bekräftigte bei der Kreistagssitzung im Landratsamt, dass man bei der Abwägung aller Sachargumente zu dem Schluss gekommen sei, den Standort Küchenäcker als eindeutig kostengünstiger zu betrachten. Vor allem die Störung des Schulbetriebes auf dem Mühlberg, wo eine enorme Lärmbelästigung zu erwarten wäre, die Bauzeit (am Mühlberg dauert er drei Jahre länger), die Verdichtung der Schülerschaft am unteren Teil der Hohenzollernstraße und die Baukosten seien die Kriterien zum Meinungsfindungsprozess gegen den Mühlberg gewesen: "Acht Jahre Baulärm, das wäre der Horror!"

Eine Standortbewertung über eine Pro- und Contra-Skala diente der Kreisverwaltung als Grundlage für beide Varianten. Der Standort Küchenäcker erzielte hierbei gegenüber dem Mühlberg West mehr Punkte, nämlich 83 zu 59. Bei den Finanzen für Investitions- und laufende Kosten lautete das Ergebnis 36:0 zugunsten von Küchenäcker. In der Bewertung ökologischer Kriterien (Flächenverbrauch und -versiegelung, Natur- und Bodenschutz) sind beide Standorte gleich gewichtet worden. Die Bewertungsmatrix löste jedoch eine kontroverse Diskussion aus.

Während Thomas Kugler als Sprecher der CDU-Fraktion den Vorzug sah, dass die Schüler nur einmal umziehen müssten und insgesamt von einer für alle tragbaren Lösung sprach, leisteten die Grünen heftigen Widerspruch. "Jetzt haben sie es geschafft, die Kreistagsmehrheit zu gewinnen, weil bei diesem Thema die Finanzen über der Ökologie stehen", sagte Johannes Kretschmann (Grüne) vorwurfsvoll in Richtung Kreisverwaltung. Doch dies lasse sich schwer gegeneinander abwägen. Seine Mitstreiterin Susanne Scham rechnete vor, dass die 63 Hektar Baufläche etwa 88 Fußballfeldern entsprächen. Auch ihr stieß auf, dass die Finanzen eine höhere Bewertung hätten als ökologische Gesichtspunkte, fiele doch auf dem Mühlberg ein geringerer Flächenverbrauch an. Lothar Braun-Keller fragte sich, bis wann der Kreistag endlich befähigt sei, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen: "Das ökologische System ist endlich!" Aber vielleicht bräuchte man zu dieser Erkenntnis "ein bisschen mehr Gehirnschmalz", bemerkte der Grüne süffisant.

Was wiederum den Finanzdezernenten Franz-Josef Schnell fuchste: "Jetzt bin ich 40 Jahre im Geschäft. Es ist alles kalkuliert und bewertet worden. Und jetzt höre ich, dass hier die Kosten nicht berücksichtigt werden sollten. Das finde ich nicht in Ordnung. Es ist eine Entscheidungsfrage. Für 5 bis 6 Millionen Euro an Mehrkosten beim Standort Mühlberg West können wir viele ökologische Ausgleichsmaßnahmen vornehmen." Auch Landrätin Stefanie Bürkle bekräftigte, das frei werdende Areal könnte als Ausgleichsfläche dienen, wäre als grüne Oase vorstellbar. Die Kreisverwaltung habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht und stets eine Auge darauf, Bausubstanz instandzusetzen und zu erhalten, wie bei der Modernisierung des Annahauses.

Den Argumenten der Grünen zugänglich fühlte sich CDU-Kreisrat Udo Stauß, der sich einen Schulcampus aus Bertha-Benz-Schule, Ludwig-Erhard-Schule und Hohenzollerngymnasium auf dem Mühlberg-West gut vorstellen könne, es könnte ein größeres Netzwerk mit anderen Schulen entstehen.

Kugler konterte schärfer, er sagte, dass manche Grüne nur ein "selektives Wahrnehmungs- und Bewertungsvermögen" besäßen: "Es ist nicht alles nur schwarz und weiß." Vor allem in puncto Verkehrsbelastung, da sei der Mühlberg jetzt schon sehr hoch frequentiert und dort "die Luft raus". Zudem wären an jenem Standort die Parkplatzflächen und Baufenster bei einer Grundstücksgröße von 23 000 Quadratmetern räumlich begrenzt und eingeengt, würde allenfalls bauliche Erweiterungen in der Höhe zulassen, argumentiert auch die Kreisverwaltung. Am Standort Küchenäcker sei bei einem etwaigen Bedarf von 26 000 Quadratmetern Grundstückfläche eine deutlich großzügigere Gesamtfläche von 40 000 Quadratmetern verfügbar.

Im ausdrücklichen Kontrast zu den Grünen positionierte sich demzufolge SPD-Fraktionssprecher Richard Gruber, er filterte beim Standort Küchenäcker "ganz klare Vorzüge heraus": Es stünde, wie schon ausgeführt, genügend Baufläche und ein räumlich größeres Entwicklungspotenzial zur Verfügung. Es müsse nicht wegen einer längeren Bauzeit mit Kostensteigerungen gerechnet werden. Doris Schröter, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, erklärte, dass ihre Fraktion sich diesem Vorschlag der Kreisverwaltung anschließen werde. "Ich halte den Standort für gut und erwarte, dass ein innovatives Konzept entsteht." Aktuell werden in der Bertha-Benz-Schule 1600 Schüler in 80 Klassen unterrichtet. Sie ist damit die größte Berufsschule im Kreis.

Eingeplant werden kann eine zusätzliche Stelle im Fachbereich Liegenschaften und Technik, für Projektentwicklungs- und Leitungsaufgaben.