Ende September ist auf dem Überlinger Weltacker erstmals eigener Reis geerntet worden. Kurz vor dem Ende der Saison ist der selbst vermehrte Trockenreis voll ausgereift und kann ganz einfach mit der Hand vom Halm gestrichen werden. „Den könnte man jetzt essen“, sagt Anette Wilkening, die den Weltacker unterhalb von Andelshofen gemeinsam mit Eva Hauber betreut. Einziges Problem: Um die Reiskörner von der Schale, dem Spelz, zu trennen, bräuchte man eine Reismühle.

Dem Klima angepasste Pflanzen
„Wir sind sicherlich die einzigen weit und breit, die Reis anbauen“, ist Anette Wilkening überzeugt. Das nächste ihr bekannte Anbaugebiet für Trockenreis liegt im wärmeren Kärnten. Von dort kommt seit zwei Jahren auch das Bio-Saatgut, bekannt als Österreis. Dieser wird nun in Überlingen kultiviert und selbst weiter vermehrt. „Wir säen neben dem selbst gewonnenen Saatgut immer auch einen Streifen original Österreis“, sagt Reinhild Mordhorst, Gärtnerei-Leiterin des Rimpertsweiler Hofs, die in diesem Jahr die Aussaat betreut hat. Das Ergebnis: „Unser eigener Reis gedeiht besser, er ist größer und robuster.“ Ein schönes Beispiel, wie man Pflanzen an unterschiedliche klimatische Verhältnisse anpassen kann.
Interessant ist auch die diesjährige Maisernte des Weltackers. Kolben in unterschiedlichsten Formen und Farben reihen sich aneinander. Gesät hatte man eigentlich nur vier Sorten: Polenta-, Zucker-, Schwarz- und Erdbeermais. Doch die hätten sich „vogelwild gekreuzt“, sagt Gärtnerin Mordhorst. Das Besondere am Mais sei, dass er sich innerhalb einer Fruchtperiode kreuzen kann, sagt Expertin Mordhorst. Bis zu zwei Kilometer weit könnten die Pollen durch die Luft wehen. „Das macht auch den Genmais so gefährlich.“

Die reiche Ernte des Weltackers können Besucher beim Erntedankfest am Sonntag, 6. Oktober bewundern. Ab 15 Uhr werden die Besucher über die 2000 Quadratmeter große Ackerfläche geführt, auf der rund 45 verschiedene Getreide, Gemüse und Früchte in exakt dem Verhältnis angebaut werden, wie es der weltweiten Anbaufläche entspricht. So sind etwa 11,6 Prozent der Fläche mit Weizen, 10,5 Prozent mit Mais und 8,7 Prozent mit Reis bepflanzt, den drei wichtigsten Nahrungsmitteln der Welt. Kartoffeln machen nicht mal ein Prozent aus. 2000 Quadratmeter sind rein rechnerisch die Ackerfläche, die jedem Menschen zur Verfügung steht.
Äcker liegen brach zur Erholung
Wobei sich hier jüngst Verschiebungen ergeben haben. Denn in seiner letztjährigen Abschlussarbeit hat der Student Jannis Richter, Mitbegründer des Überlinger Weltackers, die Flächenberechnungen auf Basis von Daten der UN-Ernährungsorganisation FAO überprüft. So spielt etwa der Kürbis weltweit gar keine so große Rolle. Hinzugenommen wurden dagegen temporäre Weiden und Brachflächen. Denn: „Im traditionellen Ackerbau liegen Äcker immer wieder brach, um sich erholen zu können“.
Eine größere Rolle im pädagogischen Konzept des Weltackers soll künftig Wasser spielen. „Was bedeutet es zum Beispiel, wenn zwei Liter Regen pro Quadratmeter fallen“, fragt Anette Wilkening. „Ein Urlauber ohne Schirm wird nass, doch für einen Landwirt ist das nichts.“ Solche Dinge wolle man besser ins Verhältnis setzen.
Weltäcker tun sich zusammen
Erstmals haben sich dieses Jahr auch zahlreiche Weltäcker zusammengetan. Zum Erntedankfest am 6. Oktober werden sie Kunstwerke schaffen, die anschließend gemeinsam ausgestellt werden. In Überlingen wird dies ein großer Wassertropfen über dem Eingang sein, in den die Besucher kleine Tropfen mit ihren Wünschen hängen sollen.
Offen ist unterdessen, wie lange der Weltacker noch am bisherigen Standort bleiben wird. „Wir suchen eine neue Fläche“, sagt Wilkening. Idealerweise in der Nähe eines Hofes, „wo wir mehr machen können“. Denn auf der jetzigen landwirtschaftlichen Fläche ist vieles reglementiert. Kulturveranstaltungen etwa oder Fermentierworkshops seien nicht möglich. Im kommenden Jahr aber soll der Acker auf jeden Fall nochmal am bisherigen Standort bestellt werden.