Bremen, Bari, Überlingen: Felix Strenger lebte viele Jahre seines Lebens am Wasser. In der Einfahrt zu seinem Mietshaus steht ein Motorboot auf einem Hänger, bereit, in den Bodensee eingesetzt zu werden. Der 44-jährige Familienvater will Überlingen nicht mehr nur als seinen Wohnort begreifen, sondern bei der Stadtentwicklung mitwirken. Er bewirbt sich am 10. November als Oberbürgermeister.
Der 44-Jährige folgt einer Lebenseinstellung, die ihm sein vor zwei Jahren verstorbener Vater mit auf den Weg gab: „Er sagte immer, wirke in Deinem direkten Umfeld. Verweise nicht auf das große Ganze. Sage nicht, die da oben müssten, sondern packe selber an.“
Statt Gemeinderat gleich OB-Wahl
Ging es nicht vielleicht eine Nummer kleiner? Die Kommunalwahlen im Juni wären doch eine gute Gelegenheit gewesen? „Das habe ich verpasst“, räumt Strenger ein. Als er die ersten Plakate sah, mit denen die Kandidaten Jan Zeitler, Martin Hahn und Dennis Michels für sich als Oberbürgermeister warben, erfuhr er davon, dass die OB-Wahlen im Kalender stehen. Das erklärt auch, warum er erst jetzt aus der Deckung kommt. Er wusste bis vor wenigen Tagen ja selbst nicht, dass er kandidieren würde.
Wie gesagt, da ist das Vermächtnis seines Vaters, einem Kaufmann, der ihn tief prägte, und der „der zufriedenste Mensch war, dem ich jemals begegnet bin“. Die Wahlplakate lösten in Strenger etwas aus. Nach Gesprächen in seinem persönlichen Umfeld und Gesprächen mit ihm bis dahin fremden Bürgern aus Überlingen, beispielsweise beim Hödinger Besen, sei er zu dem Schluss gekommen, dass dem Potpourri an OB-Bewerbern „ein weiterer Pol“ guttun würde.
Auf Plakate verzichtet er weitgehend
Ein Pol wie auf einem Globus? Ein Gegenentwurf zu allen bisher bekannten Kandidaten ist Strenger schon deshalb, weil er sich im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern erst auf der Zielgeraden ins Rennen begibt und um seine Person gar kein großes Aufhebens macht. Es wäre ein Irrtum anzunehmen, dass Strenger im Endspurt vor dem 10. November nun ein Feuerwerk an Wahlplakaten, Podcasts oder Wahlveranstaltungen zünden würde.
„Ich habe gar kein großes Wahlprogramm anzubieten“, sagt er. Das ist natürlich untertrieben. Vielmehr ist es zentraler Teil seines Wahlprogramms, kein Programm im klassischen Sinne zu formulieren. „Ich mache keine sinnlosen Versprechungen“, sagt er. Er werde nicht mit Schlagworten um sich werfen, die er als austauschbar empfindet, weil sie auf jede Stadt zutreffen. „Bezahlbarer Wohnraum, eine familienfreundliche Stadt – das ist alles richtig, gilt aber in jeder Gemeinde.“ Ihm gehe es darum, als Person Felix Strenger zu überzeugen. „Menschlich, authentisch, ehrlich, transparent, das sind meine Leitlinien.“ Auf Sachfragen, mit denen sich Überlingen beschäftigt, lässt sich der Kandidat Felix Strenger gar nicht ein. „Warum sollte ich mir als Neigschmeckter anmaßen, alles besser zu wissen? Man muss die richtigen Menschen zusammenbringen, führen und gestalten. Darin sehe ich meine Stärke.“
Fanatismus ist ihm zuwider
Felix Strenger gehört keiner Partei an. „Ich habe es auch nicht vor. Weil ich mit der Politik auf der großen Bühne derzeit nicht einverstanden bin, möchte ich sie in meinem eigenen, kleineren Umfeld, selbst in die Hand nehmen.“ Nach seiner politischen Couleur gefragt: „Ich würde mich in der liberalen Mitte einordnen. Jegliche Art von Fanatismus ist mir zuwider und möchte ich nicht unterstützen.“
Überzeugen und sich überzeugen lassen
Strenger bezeichnet sich als „Familienmenschen.“ Für das Interview lädt er zu sich nach Hause in den Wintergarten ein. Der Blick fällt auf zwei alte Obstbäume, zwischen denen eine Slackline gespannt ist. An ihr hängen Klettergerüste und Schaukeln. „Ich bin ein nahbarer Mensch, der gerne in Dialog eintritt, der zuhören kann, der überzeugt werden kann, und der andere überzeugen kann.“
Im Bosch-Werk in Bari war Strenger als Projektleiter der Chef über 200 Mitarbeiter. Wegen der Umsatzrückgänge bei Diesel-Motoren bestand die Gefahr, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Seine Aufgabe sei es gewesen, neue Produkte zu erfinden und ihnen zu industrieller Reife zu verhelfen. „Damit habe ich 50 neue Arbeitsplätze geschaffen und 50 Menschen, die sonst ihren Job verloren hätten, den Arbeitsplatz gesichert.“
Als die Zeit in Bari zu Ende ging, starb sein Vater. „Das hat einen Prozess in mir ausgelöst, mein Leben zu überdenken.“ Er habe gemerkt, dass es ihm mehr gibt, „etwas entstehen zu lassen und Mitarbeiter persönlich zu erreichen, als einfach nur ein Produkt zu entwickeln“. Er habe gelernt, einen Perspektivwechsel einzunehmen und die Nöte seiner Gegenüber zu verstehen. Strenger über seinen Job in Bari: „Ich habe einen Fußabdruck hinterlassen.“
„Ich bin kein Verwaltungsprofi. Ich kann Herrn Zeitler seine Expertise nicht absprechen“, sagt Strenger. „Ich glaube aber, dass häufig der Mann oder die Frau an der Spitze eines Teams die unwichtigste Person ist. Er oder sie an der Spitze ist aber die Person, die eine Atmosphäre dafür schaffen muss, dass sich jeder im Team wiederfindet und seine Leistung abrufen kann.“ Das habe viel mit Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber zu tun. Und darin, so Strenger, würden sich Verwaltung und Industrie nicht unterscheiden.
In drei Wochen wird schon gewählt
Knapp 25 Tage bleiben ihm noch bis zum Wahlsonntag. „Wie schaffst Du das in der Kürze der Zeit?“, habe ihn seine Frau gefragt. „Ich habe keine Antwort“, lautete seine Antwort. Ja, klar, er wolle Präsenz zeigen, er habe bislang aber keine eigenen Wahlveranstaltungen geplant. „Ich mache das alles auf die Gefahr hin, dass es am Ende vielleicht zu kurzfristig oder eine zu spontane Kandidatur war. Es war eine spontane Eingebung.“