Überlingen – Die Orgel gilt als Königin der Instrumente, kann sie doch mit ihrer Vielzahl an Pfeifen und Registern orchestrale Hörerlebnisse schaffen und die größten Kirchenräume mit monumentalen Klängen füllen. In der „Nacht der Orgelimprovisation“, die beim dritten Festival der Orgelimprovisation im Überlinger Münster stattfand, bewiesen drei junge, preisgekrönte Organisten (alle Jahrgang 1996), dass sie nicht nur das Orgelspiel an sich, sondern auch die Königsdisziplin des Improvisierens meisterlich beherrschen.
Den Anfang machte Enno Gröhn aus Hamburg. Der Kirchenmusiker und Dozent für Orgelimprovisation in Herford und Bremen setzte sich zunächst an die barocke Marienorgel und erkundete die Möglichkeiten des Instruments in virtuosen, nordisch eingefärbten Klangphantasien. Ohne Noten, denn improvisiert wird aus dem Stegreif. Vorgegeben ist lediglich ein musikalisches Thema oder Grundmuster. Die Ausgestaltung entsteht erst im Moment des Musizierens. Eine irrsinnige Leistung, denn zwei Hände und zwei Füße sind an Tasten und Pedalen gleichzeitig im Einsatz und müssen sich mit schlafwandlerischer Sicherheit und perfekt koordiniert durch sämtliche Tonarten und Harmonien bewegen. Enno Gröhn gelang dies an der Marienorgel ebenso wie an der großen modernen Nikolaus-Orgel mit ihren 3791 Pfeifen, an der er sehr abwechslungsreiche „Fünf rhythmische Kontraste“ improvisierte. Gröhn begann im Jahr 2018 das Kirchenmusikstudium an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Er war Organist der Kreiskantorenstelle an der St.-Petri-Kirche in Buxtehude und Vakanzorganist in der Hauptkirche St. Michaelis (Michel). Enno Gröhn ist kirchenmusikalischer Assistent in der Hauptkirche St. Petri in Hamburg und Leiter des Collegium vocale. Er unterrichtet liturgisches Orgelspiel und Improvisation an der Hochschule für Kirchenmusik in Herford.
Der gebürtige Gengenbacher David Kiefer ist Assistent des Domorganisten am Kölner Dom. Er erhielt seine erste musikalische Ausbildung an der Musikschule Offenburg. Seit 2015 studiert er an der Musikhochschule in Freiburg im Breisgau Kirchenmusik, Schulmusik, Master Orgelimprovisation sowie Konzertexamen / Meisterklasse Orgel. David Kiefer gibt Konzerte im In- und Ausland, unter anderem in der Kirche St. Eustache in Paris, der Sainte Chapelle de Versailles, im Freiburger Münster und beim Festival „Toulouse les orgues“. In seiner „Symphonie improvisée“ über Themen von Anton Bruckner entfaltete Kiefer majestätische Klangwelten, angelehnt an den Stil der französischen Orgelmusik. Seine Fähigkeit, gewaltige Spannungsbögen zu entwickeln und dabei ganz eigene Klangbilder zu schaffen, weckte Begeisterung.
Niklas Jahn aus Freiburg unternahm eine klangliche Expedition in die Welt der Kirchenlieder. Er studierte Kirchenmusik, Orgelimprovisation und Chorleitung. Sein umfangreiches Tätigkeitsspektrum erstreckt sich vom Wirken als internationaler Konzertorganist, Improvisator, Dirigent, Dozent, Kirchenmusiker, hin zum Wirken als Korrepetitor. Feinsinnig und facettenreich, streckenweise experimentell gelang dem Dozenten für liturgisches Orgelspiel an der Musikhochschule in Saarbrücken nicht nur die Ausdeutung von „Ave, maris stella,“ Gotteslob Nr. 520. Mit langem Applaus honorierte das Publikum das Programm der drei herausragenden jungen Orgelkünstler.
Orgeln
- Das Münster Nikolaus zu Überlingen besitzt zwei Orgeln, die sowohl in Gottesdiensten als auch in Konzerten zu hören sind. Die Marienorgel, die kleinere der beiden, befindet sich im vorderen Teil des linken Seitenschiffs. Sie wird meist in den Gottesdiensten an Werktagen oder Andachten verwendet.
- Die große St. Nikolaus Orgel ist auf der Empore über dem Westportal platziert. Sie wurde 1968 von den beiden Überlinger Orgelbauwerkstätten Mönch und Pfaff gemeinsam erbaut. Sie nimmt die gesamte Rückwand des Hauptschiffes ein. Als Gemeindeorgel erfüllt sie die liturgischen Aufgaben in den Hauptgottesdiensten, verbreitet aber auch ihren farbigen, raumausfüllenden Klang bei Hochzeiten, Konzerten und anderen Gelegenheiten. Die Orgel lässt wegen ihrer Anordnung auf der Empore genügend Platz für Chor und Orchester, die an den Hochfesten große Messen aufführen.