Überlingen – Peter Vögele hadert mit der Bundesregierung. Grund dafür ist sein Mitarbeiter "Sorrie", ein junger Mann aus Gambia. Vögele ist Inhaber des Landgasthofs "Adler" in Lippertsreute und stellvertretender Vorsitzender des Dehoga-Ortsverbands Überlingen (Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandband). Vögele fordert ein klares Einwanderungsgesetz.

Im Landgasthof arbeiten seit Jahrzehnten Mitarbeiter verschiedener Nationalitäten, damit gehört Vögele zu den nur 3,5 Prozent deutscher Unternehmen, die Flüchtlinge beschäftigen. "Die Farbe spielt bei uns nur auf dem Teller eine Rolle. Erst kamen die Tamilen, dann die Menschen aus Restjugoslawien. Meine Oma bringt ihnen bei, wie der Kartoffelsalat zu schmecken hat. Den machen dann Spanier, Italiener, Afrikaner und ich kontrolliere das dann", erzählt der Gastronom.

Seit zwei Jahren ist Ousainou S. Drammeh, genannt "Sorrie", jetzt als Küchenhilfskraft im Adler beschäftigt. Der 28-Jährige spricht fließend Englisch und lernt kräftig Deutsch. "Jeden Tag übe ich 20 Worte, genau wie mein Chef sich das wünscht. Es macht mir Spaß und ich möchte bald eine Ausbildung hier machen", erzählt Sorrie. Der Afrikaner kam über das Mittelmeer nach Italien und dann nach Deutschland. Dem fleißigen, freundlichen und pünktlichen Mitarbeiter drohe die Abschiebung, erklärt Vögele. Dieser junge Mann passe in sein Team. Ein Schreiben zur Vorlage beim Anwalt – gegen die drohende Abschiebung möchte Vögele Rechtsmittel einlegen – hätten alle Mitarbeiter unterzeichnet.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobel (CDU) möchte den kleinsten afrikanischen Staat an der Westküste des Kontinents zum sicheren Herkunftsland erklären, damit stünde der Abschiebung Tausender Gambier nichts mehr im Wege. Keineswegs sicher sei er in seiner Heimat, sagt Sorrie. Auch wenn 2016 ein demokratisch gewählter Präsident in Gambia das Terrorregime seines Vorgängers beendete, habe er schon deswegen mit Repressalien zu rechnen, weil sein inzwischen verstorbener Vater für den ehemaligen Diktator gearbeitet habe. "Ich habe keine Zukunft in Gambia, mit dem hier verdienten Geld unterstütze ich meine beiden Schwestern in der Heimat. Auf jeden Fall möchte ich hierbleiben", sagt er. "Peter ist für mich so wertvoll wie ein Diamant, er ist sehr gut zu mir und auch eine Art Vater", erklärt der Vollwaise. Er geht gerne ins Fittnessstudio, spielt Fußball und ist oft mit Arbeitskollegen unterwegs.

Gastwirt Peter Vögele winkt beschämt ab, er sieht das ganz pragmatisch, meint er: "Sorrie kostet dem Staat keinen Cent, er erhält weder Wohngeld noch Unterhalt. Hier hat er eine faire Chance, was aus seinem Leben zu machen. Wir sollten weniger über unsere Wertegesellschaft reden und mehr handeln. Dass diese Leute nicht wissen ob sie bleiben dürfen ist für sie, aber auch für uns ein unmöglicher Zustand", erregt sich Vögele. Gerade in der Gastronomie fehlen Mitarbeiter und Fachkräfte, er habe also auch ein starkes Interesse, den jungen Gambier als Mitarbeiter zu behalten und zu qualifizieren, erklärt Vögele.

Gastwirt Peter Vögele möchte ein klares Einwanderungsgesetz, bei dem der Pegel in beide Richtungen gleich stark ausschlägt. "Also auch klare Kante, wenn jemand hier nicht gut tut", sagt Vögele. Er empfinde das bisherige Verhalten der Bundesregierung als scheinheilig, sagt Vögele. Er berichtet von der ersten Unterredung mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das für Sorrie nicht gut gelaufen sei. Die Anerkennungsquote für Menschen aus Gambia liegt derzeit bei etwa 6,5 Prozent. "Wir versuchen jetzt die Entscheidung rauszuzögern und können nur auf ein klar geregeltes Einwanderungsgesetz hoffen und dass der Sorrie da in ein Modul reinpasst", berichtet Peter Vögele.

Derweil serviert Sorrie Käsespätzle mit Salat, die er gerade zubereitet hat und erklärt strahlend in lupenreinem Deutsch: "Ich hoffe, dass diese Ihnen sehr gut schmecken." Wie erklärte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im TV-Duell zur Wahl vor gut einer Woche: "Diejenigen, die seit Jahren hier sind, deutsch sprechen und schon gut integriert sind, sollen nicht die ersten sein, die abgeschoben werden." Diese Aussage genügt Peter Vögele nicht. Es sei unfair, die betroffenen Menschen im Unklaren über ihre Zukunft zu lassen. "Auch für uns, die wir viel Mühe und Herzblut in die Integration stecken, ist das keine Antwort. Integration kann man nicht irgendwo kaufen, dass ist harte Arbeit man muss sie praktizieren." Sorrie sei doch ein Beispiel für gelungenen Integration. "Wir alle wollen endlich Klarheit, wir mögen ihn gerne und wir wollen das der Sorrie hier bleibt", sagt Peter Vögele.

Gambia

Mit 11 000 Quadratkilometern ist Gambia der kleinste Staat auf dem afrikanischen Kontinent. Das Land wird fast vollständig vom Senegal umschlossen. Das Pro-Kopf-Einkommen von 59 Prozent der zwei Millionen Einwohner liegt unter einem US-Dollar täglich. Damit zählt Gambia zu den ärmsten Staaten der Welt. Die zu 90 Prozent muslimische Bevölkerung hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von 60,3 Jahren. Von den 14 500 Gambiern in Deutschland leben zwei Drittel im Südwesten. Ihnen droht die Abschiebung, denn Gambia soll im Laufe 2017 zum sicheren Herkunftsland erklärt werden. Hilfsorganisationen halten das für einen Fehler, in Gambia herrsche eine brutale Diktatur. Die EU hat die Entwicklungshilfe für Gambia bis auf Weiteres eingefroren.

Gutes Beispiel gelungener Integration

Gemeinsam freuten sich Politiker der Grünen in Frickingen über ein besonders gutes Beispiel gelungener Integration. Der 21 Jahre alte Gibbi Sillah aus Gambia macht derzeit eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann im ortsansässigen Lebensmittelmarkt Hiller. Dazu sagt Christoph Hiller: "Wir wollten dem Gibbi eine sinnvolle Tätigkeit geben und besonderen Spaß hat er in unserer Obstabteilung. Seit Gibbi dort die Ananas schält, wie er es aus seiner Heimat kennt, schnellten bei uns in wenigen Wochen die Verkaufszahlen nach oben."

Restlos zufrieden ist Hiller mit seinem Azubi und hebt den Deutschunterricht der vielen ehrenamtlichen Helfer, den guten Kontakt zur Berufsschule, die Einstiegsqualifizierung (EQ) der IHK und das Berufliche Fortbildungs-Zentrum (BFZ) in Überlingen als auf diesem Weg äußerst hilfreiche Unterstützer hervor.

Christof Keller ist einer der beiden Abteilungsleiter des Fußballvereins SpVgg F.A.L. Hier spielt Gibbi Sillah im Sturm und erzielt, sagt Keller, die meisten Tore für den F.A.L. Der Fußballverein hat insgesamt 15 Spieler, die als Flüchtlinge nach Deutschland kamen und laut Keller gab es noch nie schlechte Reaktionen seitens der Mitspieler oder der Fans. "Es macht uns mit allen diesen Spielern großen Spaß", sagt Keller. Er wünscht sich von der Politik mehr Unterstützung zum Beispiel beim Thema Transport der Spieler zum Training und bei deren Ausstattung.

Markus Böhlen, Grünen-Bundestagskandidat aus Immenstaad, rät "allen Arbeitgebern, den Flüchtlingen eine Berufsausbildung anzubieten, so ist beiden Seiten geholfen: Unsere Betriebe haben Mitarbeiter, die arbeiten wollen und die Flüchtlinge können sich qualifizieren." Auch Böhlen ist skeptisch, Gambia zum sicheren Herkunftsland zu erklären. "Herr Strobel sollte der neuen demokratischen Regierung in Gambia noch etwas Zeit geben, die Verhältnisse zu stabilisieren. In der gesamten Sahelregion besteht seit Jahren eine islamistische, terroristische Bedrohung". Markus Böhlen sprach sich in diesem Zusammenhang glasklar für ein Einwanderungsgesetz aus: "Es wird höchste Zeit."