Rebecca Rexroth

Da sitzt er, die Abendsonne vor dem Firmengebäude genießend, vor seinem „Betrieble“, seinem Lebenswerk: Drehorgelbaumeister Josef Raffin. 85 Jahre zählt er nun, Jahre voller Arbeit und Befriedigung, voller Risiko und Erfolg, voller Glück. „Für mich ist das wie ein Traum“, bricht er seine Emotionen aufs Grundlegende herab. Seine Erlebnisse schließen sich zum „traumhaften“ Gesamtwerk zusammen. „Mit elf Jahren war ich ein Hirtenjunge in Deisendorf“, erzählt Josef Raffin. Seine Kindheit zu Kriegszeiten scheint so gar nicht zu dem Gründer des hoch zertifizierten Drehorgelbaus Raffin zu passen, einem von nur fünf Betrieben dieser Art in Deutschland. Wohl aber der angepinnte Spruch im Firmenbüro: Ohne Begeisterung, die die Seele erwärmt, wird nichts Großes geschaffen.

Mit 14 Jahren trat Josef Raffin seine Lehre bei Orgelbau Schwarz in Überlingen an: „Ich wurde gleich wieder heimgeschickt, viel zu klein, sollte irgendwann wieder vorbeikommen.“ Doch solch vermeintliche Steine räumte Raffins Ehrgeiz flugs aus dem Weg. Nach der vierjährigen Lehre war er arbeitslos. „Sich tatenlos dem Schicksal hingeben, das geht nicht“, erklärt Josef Raffin. „Ich habe mich bei einer Stoffdruckerei verdingt und später die Meisterschule für Orgelbau in Ludwigsburg besucht.“ Mit seinem Schwager stieg er dann ins Bootsbaugeschäft ein. „Und mit einer Schachtel voll Werkzeug ging ich dabei meiner Leidenschaft nach“: 1965 baute Josef Raffin die erste Orgel. Mit der Belieferung eines Schweizer Orgelunternehmens gewann die Leidenschaft an wirtschaftlichem Aufschwung, zehn Jahre später wurden Werkstatt und Halle im Industriegebiet erbaut.

Durch Wartung und Reparatur alter Drehorgeln für Antiquitätenläden und Museen stellte sich der Betrieb von der Kirchen- zur Drehorgelproduktion um: „Durch die Reparaturen kannte ich die Schwachstellen alter Modelle und perfektionierte dadurch die meinen“, beschreibt der passionierte Tüftler.

Drehorgel an Drehorgel ziert die weitläufigen Werkstattgebäude. „Früher als Leierkasten auf dem Jahrmarkt, damit verbinden die meisten s' Örgele.“ Durch die Gassen ziehend, munteres „Für Elise“ in Dauerschleife orgelnd, so verdiente sich manch einer den Lebensunterhalt. Heutige Drehorgeln dienten ausschließlich dem Hobby: „Viele Rentner erfüllen sich mit dem Kauf einer Drehorgel verdrängte Kindheitsträume“, sagt der Orgelexperte, „beim ersten Kurbeln strahlen sie dann wie kleine Buben.“ So exportiert die Raffin-Manufaktur an Kunden in der ganzen Welt, nimmt an Drehorgel-Festivals teil und organisiert Konzerte. „Die Drehorgel entführt in eine andere Welt, eine besondere Welt“, sagt Josef Raffin. Friedlinde, eine der acht Raffin-Töchter, arrangiert jegliche Art von Musikstücken. Ganze Orchester verstecken sich in den nüchtern anmutenden Musikrollen. Seit 2014 leitet Friedlinde Engeser mit ihrem Mann Rafael Engeser den Betrieb. „Familie und Arbeit vereint, was gibt es Schöneres“ strahlt Josef Raffin und kommt dabei auf seine Frau Theresia zu sprechen: „Sie ist die tragende Kraft dieses ganzen Werkes.“

Mit der Erziehung von acht Mädchen, dem Haushalt und der bürokratischen Leitung des Betriebs komme „Mutti“ wahrlich eine Sonderrolle zu: „Das Büro war mitten im Wohnzimmer“, erinnert er sich. Besonderen Wert im Familienleben habe man auf die Präsenz der Musik gelegt: „Jede Tochter durfte ein Instrument erlernen.“ Ob direkt im Familienbetrieb verankert oder anderweitig musikalisch beschäftigt, diese Investition trage ihre Früchte. Familiär wie musikalisch zeigen sich diese am Pfingstwochenende: Sieben Töchter und ihre Ehemänner, 20 Enkel, acht Urenkel – die musikalische Großfamilie gibt mit dem Orgelbaumeister persönlich anlässlich dessen Geburtstag ein großes Drehorgelkonzert in der Franziskanerkirche.

Im 14. Konzert dieser Art vereine sich sein Lebenswerk, wie Friedlinde Engeser betont: „Seine Familie, die Drehorgeln und seine enge Verbindung zu Gott.“ Verschiedene Instrumente, Gesang und abwechslungsreiche Musikstücke: Das Programm verspricht sehr unterhaltsam zu werden. Er freue sich so sehr darauf, sagt Josef Raffin, gemeinsam mit seiner Familie Freude zu erleben, Freude weiterzugeben. Und streicht dabei liebevoll über eines seiner Unikate mit glänzendem Schildchen: „Original Raffin“.

Zu Person und Konzert

  • Josef Raffin, Drehorgelbaumeister, wurde 1932 in Überlingen geboren. Er absolvierte die ersten Jahre der Volksschule und arbeitete als Viehhirte in Deisendorf. 1946 begann er seine vierjährige Lehrzeit bei Orgelbau Schwarz in Überlingen, ab 1958 besuchte er die Meisterschule in Ludwigsburg. Aus seiner Ehe mit Theresia gingen acht Töchter hervor. Ab 1960 widmete er sich dem Orgelbau und spezialisierte sich auf Drehorgeln. Das heutige Firmengebäude im Industriegebiet entstand 1974, den Betrieb leitet seit 2014 Schwiegersohn Rafael Engeser.
  • Ein Drehorgelkonzert geben Josef Raffin und seine Großfamilie am Samstag, 3. Juni, um 17 Uhr in der Franziskanerkirche. Der Eintritt ist frei. Informationen im Internet:www.raffin.de