Eva-Maria Bast

Oswald Burger kandidiert nicht mehr für den Überlinger Gemeinderat. "Ich werde im nächsten Jahr 70 und bin Gemeinderat, seit ich 35 bin. Damit werde ich die Hälfte meines Lebens Gemeinderat gewesen sein – das ist genug", sagt der SPD-Stadtrat im Gespräch mit dem SÜDKURIER. "Jetzt sollen die Jüngeren weitermachen."

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Seinen Rückzug aus dem Gemeinderat habe er schon bei der letzten Wahl 2014 angekündigt, erinnert Burger. Im Ruhestand stehe er nicht mehr in der Mitte des Lebens, sondern sei privilegierter Pensionär. "Ich habe noch viele andere Interessen, deren Verfolgung oft zu kurz kam: meine Enkel, die Natur, die Literatur, die Geschichte." Obendrein sei ihm die sich zunehmend verbreitende Digitalisierung fremd: "Ich kann mir nicht vorstellen, den rund 500-seitigen Haushaltsplan der Stadt auf dem Computer zu lesen und zu begreifen." Angesichts immer und immer wiederkehrender Themen empfinde er auch zunehmend Langeweile. Obendrein seien "Meinesgleichen", also Männer im vorgerückten Alter, die als Lehrer oder im öffentlichen Dienst arbeiten, in Gemeinderäten überrepräsentiert. "Wir sollten Platz machen für junge weibliche Arbeitnehmerinnen."

Früher gab es mehr "Hahnenkämpfe"

Fünf Oberbürgermeister hat Oswald Burger als Gemeinderat erlebt und begleitet: Reinhard Ebersbach, Klaus Patzel, Volkmar Weber, Sabine Becker und Jan Zeitler. "Am Nächsten standen und stehen mir der Erste und der Heutige, weil sie zielorientiert und tatkräftig sind." Verändert habe sich die Atmosphäre im Ratssaal insofern, "als ich in den 80er-Jahren noch schwere politische und persönliche Konflikte erlebt habe, die Akteure und Gruppen standen sich oft unversöhnlich gegenüber, die Debatten waren Hahnenkämpfe zwischen starken Persönlichkeiten." Heute sei die Stimmung am Ratstisch versöhnlicher.

Besonders stolz auf Kinderbetreuung und Schullandschaft

Und was sticht im Rückblick besonders hervor? Welche Entscheidungen waren für Oswald Burger besonders wichtig? "Das Meiste, was beschlossen wurde, habe ich mitgetragen", sagt er. Er habe die Planung und Realisierung der Bodenseetherme und des Bürgerparks im Westen der Stadt mitbegleitet und im kulturellen Leben der Stadt einige Akzente gesetzt. Einige Kritik bringt er aber auch an: "Ein großes Kulturhaus ist nie entstanden, dafür haben wir einen unpraktischen Kursaal. Des individuellen Autoverkehrs in der Stadt sind wird nur unzureichend Herr geworden." Als "am wichtigsten" bezeichnet der scheidende Stadtrat die flächendeckende Kleinkinderbetreuung und die differenzierte Schullandschaft in Überlingen, die von allen politischen Gruppierungen gemeinsam realisiert wurde. "Als hilflos haben wir uns bei der Bewältigung des Wohnungsproblems erwiesen, einem Überangebot von luxuriösen Wohnungen und Bauprojekten steht ein Mangel erschwinglicher Miet- und Eigentumswohnungen gegenüber."