Wenn sie so dasteht, erinnert sie einen an die kleine Schwester. Weil die, da waren bei ihr die Stromschnellen der Pubertät schon fast durchschifft, immer genau so geschaut hat. Irgendwie kühl, sonderbar distanziert – um anschließend zu einer messerscharfen, ja gewissenhaft sezierenden Analysen anzusetzen. Sicher, Hazel Brugger hat die Phase pubertärer Verunsicherung auch längst hinter sich. Und genau so wie die kleine Schwester hat sie sich ihren messerscharfen, analytisch sezierenden Blick bewahrt. Auch sie ist Philosophin geblieben. Hazel Brugger stellt gleichfalls die entscheidenden Fragen: Wer bin ich? Wo komme ich her? Was darf ich hoffen? Zum Beispiel wenn ich nächtens auf Bahnsteig 2b vom Bahnhof Biberach an der Riß steh.

Welches schlimme Schicksal sie dorthin führen könnte, das verriet die Kabarettistin nicht, als sie am Samstagabend mit ihrem neuen Programm "Hazel Brugger passiert" im Markdorfer Theaterstadel aufgetreten ist – dies übrigens zum ersten Mal. Wobei herauszuhören war, dass sie sich den Ort Markdorf durchaus noch schlimmer hätte vorstellen können. Etwa so wie Biberach an der Riß, ihrer Negativ-Utopie, bei der sich bereits beim bloßen Hören des Namens Assoziationen einstellen – von etwas erst Schwärendem, etwas Nässendem, dann schorfig Verkrustendem.

Doch zurück zu den Fragen: Hazel Brugger kommt aus der Schweiz. Aus einem dieser Orte im Zürcher Umland, wo lauter schwerreiche Leute wohnen. Leute, die niemals auf die Idee kämen, in der benachbarten Bundesrepublik zu arbeiten. Wie die Brugger mit überzeugender Fassungslosigkeit über das eigene Geschick berichtet. Nicht nur, dass ihre Eltern diesen unglaublichen Vornamen gegeben haben – Hazel! – Hazel Brugger erzielt ihr Erwerbseinkommen auch noch in Deutschland – als Schweizerin! Kein Wunder, wenn sie Phantasien heimsuchen. Wie die von der nächtlichen Ankunft in Biberach an der Riß. Es kommt indes noch schlimmer: Hazel Brugger fürchtet, dort beim Bedienen eines der an Gleis 2b installierten Snack-Automaten tödlich zu verunfallen. Wodurch auch immer – allein, dass das Alt-Schoko-Riegel-Verteilungs-Gerät "Selecta" heißt, lässt die Brugger an Darwin denken. Auch daran, dass von soundsoviel Millionen Samen "es immer nur eines sei, dass es in die zu befruchtende Eizelle schafft".

Der Rest ist – nicht ganz jugendfrei. Mithin nicht geeignet für den Lokalteil einer Regionalzeitung wie dieser. Worum sich das köstlich amüsierte Publikum in Hazel Bruggers Kabarett-Programm freilich herzlich wenig schert. Da wird fröhlich gegluckst, gekichert und ganz oft lauthals gelacht. Selbst von jener Hälfte im Publikum, die bei Hazel Bruggers messerscharfen, gewissenhaft sezierenden Blick aufs männliche Geschlecht denkbar schlecht abschneiden muss. Und sogar von jenen 47,8 Prozent im anderen Teil der Zuschauerschaft, die der jungen Kabarettistin ihre unverblümt freche, pubertär unverkrampfte Art des Umgangs mit dem Thema Sex neiden dürfte.