Axel Pries

An Kleingärtnern scheiden sich die Geister: Den einen gelten sie als Inkarnation von Spießigkeit, den anderen als naturverbundene, gemütvolle Zeitgenossen mit Sinn für Nachbarschaft. Eines ist sicher: Kleingärten, auch Lauben, Heimgärten oder Parzellen genannt, gibt es viele. In Friedrichshafen sind mehr als 250 in vier Anlagen auf städtischem Grund registriert – aber es gibt noch mehr, meist auf verpachteten Grund der Bahn an den Gleisen.

Die vier von Vereinen getragenen Kleingartenanlagen sind gut organisierte Oasen der Gemütlichkeit im Grünen: im lauschigen Rotachbogen, in Fischbach an der B 31, in Hinteresch und in den Kitzenwiesen. Auf einem bis 1,5 Hektar Fläche haben je 22 bis 36 Parzellen Platz gefunden, und nicht allen ist die Naturnähe in die Wiege gelegt. Die 33 Kleingärtner von "Seeblick Manzell" wie auch jene in den Kitzenwiesen haben die B 31 als Nachbarn. Ruhiger ist es in der Kleingartenanlage "Hinteresch" an der Kreisstraße zur Messe.


Unschlagbar: die Kleingärten im Rotachbogen, die in Höhe des VfB-Sportplatzes entlang der Rotach die große Idylle ausrufen. Man muss kein ausgesprochener Gartenfreund sein, um sich vorzustellen, dass man sich in den Parzellen gemütlich einrichten kann. Aber man muss wohl wirklich einer sein, um das auch ständig zu tun: am eigenen Garten basteln. Das klingt nach Erfolgserlebnis. Das klingt aber auch nach Dreck, Ungeziefer und schmerzendem Rücken. Häfler Kleingärtner erzählen, was sie antreibt: Geschichten von der großen Freiheit im kleinen Garten.

 

Treff für Freunde und die Familie

Gisela Langer etwa ist Pächterin einer Parzelle in der Kleingartenanlage "Hinteresch" und zählte 1985 mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann Rudi fast zu den Gründungsmitgliedern. 300 Quadratmeter ist ihre Parzelle groß – das ist ungefähr Standard – und wird sichtlich mit Liebe zum Detail gestaltet: Das Rankgitter auf dem großen Rasen hilft Rosen beim Wachsen, kleine und große Beete leuchten bunt, neben der geräumigen Laube plätschert der kleine Brunnen, am Insektenhotel summt es vernehmlich. "Ich möchte es gerne gemütlich haben", erklärt sie. Das Gemüsebeet fällt recht übersichtlich aus. Nahrungsmittelerzeugung steht nicht nur bei ihr an zweiter Stelle. Für Gisela Langer ist der Garten Freizeitgestaltung und Treffpunkt. Dort lernten ihre Kinder laufen und sie kommen dort auch jetzt noch am Wochenende gerne zu Besuch.

Zusammen pflanzen und ernten

Mit etwas Glück kamen vor elf Jahren Ulrike und Günter Halder zu ihrer Parzelle im Hinteresch: "durch Mundpropaganda". Ihren Kindern Auslauf zu bieten und eigenes Gemüse anzubauen, waren Motivation für das Paar. "Unsere Kinder haben draußen gespielt, statt vor dem Fernseher zu sitzen. Wir haben zusammen gepflanzt und geerntet", sagt die Ulrike Halder. Den Nutzfaktor sieht man dem Garten an: Himbeere, Brombeere, Johannisbeere wachsen dort, in Hochbeeten und einem geräumigen Gewächshaus soll gesundes Grün sprießen. "Es steckt viel Arbeit drin." Ihr Glücksgefühl ist, "wenn man abends heimkommt und hat was geschafft – und man sieht es!"

So ähnlich geht es auch dem Hinterescher Vorsitzenden Erwin Marezki. Sein Garten hat gemütliche Ecken zum Beisammenhocken – und große Beete samt Gewächshaus fürs eigene Gemüse. "Das schmeckt doppelt so gut!" Er sei doch Bauernsohn, erzählt der Vorsitzende beinahe entschuldigend: "Es ist für mich wichtig, dass ich in bisschen in der Erde buddeln kann." Außerdem: Dorthin kommen auch die Kinder und Enkelkinder: "Der Garten ist Treffpunkt für die ganze Familie!"

Arbeitsteilung ist angesagt

Dass Anne und Berthold Eichwald viel Arbeit in ihren Garten am Hinteresch stecken, ist auf den ersten Blick sichtbar: Es blüht in allen Farben, aufwendig sind Wege, Ecken und Zierbrunnen gestaltet. Dahinter: große Beete, ein Gewächshaus. Das Ehepaar pflegt Arbeitsteilung, verrät er: Sie ist für Blüten und Deko zuständig, er für Tomaten und Gemüse. "Das ist mein Fach!". Jedes Wochenende sind sie im Garten aktiv und finden, was sie suchen: aktive Entspannung. Als Meister bei ZF habe er häufig beruflichen Stress, erzählt Bernhard Eichwald: "Jeden Tag gibt es Probleme zu lösen." Der Garten sei dafür Ausgleich pur – und Ort für soziale Kontakte. Gerne sei er beim Gärtner-Frühschoppen dabei. Nicht um zu trinken, aber um mit Freunden und Bekannten zu plaudern. Letztlich: Auch ihre Kinder wuchsen im Garten auf.

Die pure Idylle erleben Barbara und Herbert Springer in ihrem 370 Quadratmeter großen Kleingarten im Rotachbogen. Rasen, Blumen, Gemüse: "Bei uns gibt es eine gute Mischung", erklären sie. Mittendrin die einladende Laube mit der Veranda. Als sie den Garten vor sieben Jahren übernahmen, sah er noch ziemlich wild aus. Sie haben ihn komplett neu gestaltetet. Ja, erklärt das Paar, darin stecke schon viel Arbeit. Aber, so betont Barbara Springer: "Das ist für mich keine Arbeit, das ist Hobby!" Und das mussten sie alles erst lernen, denn: "Wir kannten uns mit Gartenarbeit gar nicht aus." Aber andere Gartenfreunde halfen mit Rat und Tat, und das gehört zum Charme der Anlage, sagt Herbert Springer: "Wir haben ein klasse Verhältnis zu den Nachbarn."

Freude am Fischteich

Über eine Besonderheit verfügen Irmgard und Werner Müller, ebenfalls im Rotachbogen: Sie haben einen kleinen Teich – sogar mit Fischen drin. Das ist extra Arbeit: Denn nicht nur die Beete müssen gepflegt werden, die Müllers müssen jeden Tag die Fische füttern. Irmgard Müller ist nebenbei auch Schatzmeisterin im Verein der Gartenfreunde. Aber seit 30 Jahren findet das Paar auf ihrer Parzelle Entspannung von der Enge der Mietwohnung in der Stadt. Werner Müller: "Das bedeutet Ausgleich und Gemeinschaft für uns".

 

Schrebergärten

  • Schrebergärten, auch Kleingärten, Lauben oder Parzellen genannt, sind in Deutschland weit verbreitet: Der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde verzeichnet in 20 Landesverbänden insgesamt gut 15 000 Vereinen, in denen über 967 000 Kleingärtner organisiert sind. Insgesamt soll es deutschlandweit mehr als eine Millionen Kleingärten geben, in denen vor allem Städter mit Mietwohnungen Auslauf und Ausgleich finden. Einmalig ist wohl das Bundeskleingartengesetz, das den Kleingarten genau definiert – und die Grundstücke auch vor Begehrlichkeiten etwa durch Bauinvestoren schützt.
  • Der Begriff Schrebergarten geht auf den Arzt und Professor Moritz Schreber (1808 – 1861) zurück, hat aber nur mittelbar mit seinem Wirken zu tun. Er erfand diesen Garten nicht, aber der erste Kleingarten wurde nach ihm benannt, da er die Ertüchtigung im Grünen als Ausgleich zu den "Mietskasernen" förderte. (aep)