Im Alter eigenständig sein und trotzdem in einer Gemeinschaft leben – so stellen sich viele Mitmenschen ihren Lebensabend vor. Sogenannte Senioren-WGs werden daher immer beliebter. Im ländlichen Raum findet man sie noch eher selten. Anders in Stetten am kalten Markt. Mit Hilfe der Hilde-und-Eugenia-Beil-Stiftung entstand dort schon vor elf Jahren ein Wohngemeinschaftshaus für Senioren. Barrierefreiheit, kleine Appartements sowie großzügige Gemeinschaftsflächen mit guter Ausstattung kennzeichnen das Haus im Herzen der Heuberggemeinde. Unsere Zeitung hat den Bewohnern vor einigen Tagen einen Besuch abgestattet.
Die Stimmung ist gut, frischer Kaffee duftet und Kuchen steht auf dem Tisch, als unser Mitarbeiter zu der lockeren Runde stößt, die von den Seniorinnen und Senioren Tag für Tag eingeläutet wird: „Wir treffen uns hier seit Jahren um 16 Uhr; wer Lust und Laune hat, stößt dazu, wer keine Zeit oder Bock drauf hat, bleibt einfach weg“, erzählt Christina Heinemann, die mit ihrem Ehemann schon vor achteinhalb Jahren in das Haus einzog und nach dessen Tod umso glücklicher ist, „immer noch in Gemeinschaft zu leben“. Sie habe ihren Einzug „noch zu keiner Sekunde bereut“, sagt die 69-Jährige und dabei stimmt ihr die komplette Runde einhellig zu. Egal, ob die 94-jährige Gisela Neusch, die vor elf Jahren zu den ersten Bewohnern des Hauses zählte, oder die 75-jährige Marianne Herrmann, die erst im Frühjahr einzog, sie alle kommen gerne in die gemeinsame Runde, in der man oft bis 19 oder sogar bis 21 Uhr zusammen sitze.
„Nach dem Kaffee gehen wir meist zur Spielrunde über“, freut sich Renate Geis, die vor drei Jahren den Weg von Wertheim auf den Heuberg gefunden hat. Der Grund: Ihr Sohn ist in Stetten verheiratet und hat ihr die Senioren-WG empfohlen: „Es ist soooo schön, mir hätte nix besseres passieren können“, sagt die rüstige 88-Jährige, die sich jeden Tag „aufs Neue auf die Runde freut“, und strahlt. Sie spielt „sehr gerne“ und ist eine gute Gesprächspartnerin, was man auch vom Ehepaar Otto und Gerlinde Murgas sowie über Gerhard Berger sagen kann, den die Runde auch gerne ihren „Kaffee-Man“ nennt, weil er diesen fast immer zubereitet.
„Wenn ich mal nicht da bin, haben es die Damen schwer“, sagt der Senior und lacht schallend in die Runde. Er ist vor zwei Jahren aus Ebersberg in Oberbayern ins Beil-Haus gezogen: „Meine Schwester (Christina Heinemann) hat mir gesagt, dass ein Appartement frei sei“, erzählt er. Er habe nur wenige Tage später entschieden, den Umzug zu wagen: „Darüber bin ich heute noch jeden Tag froh“, unterstreicht er. Der Grund: Er sei jetzt bei der Familie, habe tolle Mitbewohner und die Menschen und das Drumherum in Stetten seien prima.
Insbesondere das Stettener Sommertheater hat es den Senioren aus der Wohngemeinschaft angetan: „Das war trotz des Regens einfach toll“, schwärmt Renate Geis. Was den aus größeren Städten Zugezogenen fehle, sei einzig die ärztliche und vor allem fachärztliche Versorgung: „Das war in Ebersberg und in Wertheim natürlich besser“, sind sich Renate Geis und Gerhard Berger einig, während Otto Murgas, der mit seiner Frau Gerlinde schon seit Jahrzehnten in Stetten lebt, anmerkt, dass nur wenige Kilometer entfernt in Sigmaringen oder Ebingen eine gute Facharztversorgung gegeben sei.
Derweil ist es an der Zeit, die große Spielesammlung auf den Tisch zu holen: „Gespielt wird alles, was Freude macht“, sind sich die Damen und Herren einig: „Mensch-ärgere-Dich-nicht, Bingo, Kniffel, Phase zehn und Rummikub stehen oft auf dem Programm“, sagt Christina Heinemann. Sie erzählt, dass es nach den Spielen gerne auch mal „ein Gläschen Sekt oder auch zwei“ gebe, während Renate Geis ergänzt, dass es in der Runde „noch keine Minute Streit“ gegeben habe und die Zusammenkunft während Corona von allen schmerzlich vermisst worden sei: „Wir hoffen, dass wir davon in Zukunft verschont bleiben“, sind sich alle Menschen in der gemütlichen Runde einig.