Karlheinz Fahlbusch

In vielen Familien dürfte an Heiligabend eine CD in das Abspielgerät wandern, Weihnachtslieder kommen aus dem Internet oder vom Speicher des Smartphones. Auch auf den Weihnachtsmärkten hat Musik aus der Konserve Hochkonjunktur. Wobei es schon mal eine Flötengruppe oder einen Posaunenchor zu hören gibt. Oder einen Drehorgelspieler. „Süßer die Glocken nie klingen“ oder „Stille Nacht“ können aber nur aus diesem ungewöhnlichen Instrument erschallen, weil es Menschen gibt wie Edi Hofmann. Er ist Arrangeur für Drehorgelmusik und fertigt auch die Bänder mit den Löchern, die dafür sorgen, dass im richtigen Takt auch die richtigen Töne aus den Pfeifen kommen.

„Im Prinzip ist eine Drehorgel nichts anderes als eine Kirchenorgel im Kleinformat“, schmunzelt der 56-Jährige, der zu einer seltenen Berufsgruppe in Deutschland zählt. Und er spielt natürlich auch selbst Drehorgel und hat mehrere wunderschöne Stücke auch zu Hause stehen. 20 Pfeifen hat die kleinste Orgel. Da ist der Tonumfang natürlich deutlich geringer als bei einer großen Kirmesorgel, wie man sie von historischen Jahrmärkten kennt. Das Spielprinzip ist aber immer gleich: Mittels einer Kurbel wird eine Art Blasebalg bedient, der die Luft in die Pfeifen bläst.

Nur muss der Spieler hier auch die Geschwindigkeit der Musikstücke regeln. Und das erfordert eine ganze Menge Fingerspitzengefühl. „Dreht man zu langsam, dann hört sich das nicht gut an“, weiß Edi Hofmann aus Erfahrung. Und wenn man zu schnell ist, dann gefällt das den Leuten natürlich auch nicht. Das gleichmäßige Drehen beherrschen nur die Könner. Von denen gibt es in ganz Europa welche, die engen Kontakt zu Edi Hofmann pflegen. „Gerade hat wieder jemand aus Slowenien angerufen. Er möchte ganz schnell noch ein Weihnachtsliederpotpourri haben“, erzählt der Arrangeur. Das werde von der Zeit her sehr eng, aber er werde schon dafür sorgen, dass auch in Slowenien Weihnachtslieder erklingen können.

Doch wie kommt nun „Stille Nacht“ in die Drehorgel? Hofmann arrangiert seine Stücke auf einem E-Piano. Dann werden die Melodietöne, die Bässe und die Akkorde, die so typisch für eine Drehorgel sind, mittels einer Schablone auf eine Art „Mutter-Band“ übertragen. Dieses besteht aus reißfestem Kunststoff und kann bis zu 30 Meter lang sein. Hofmann zeichnet mittels der Schablone Punkte auf, die dann ausgestanzt werden. Er „übersetzt“ das Notenbild praktisch so, dass die Drehorgel es „lesen“ kann. Dieses Band dient als Grundlage für Kopien, die mehrfach gefertigt und auf Rollen aufgespult werden. Die sind dann spielfertig und können in Drehorgeln eingesetzt werden.

Je nach Orgelgröße sind auch die Rollen unterschiedlich groß. „Auf ein breites Band passen natürlich viel mehr Löcher“, erklärt Hofmann. Und somit ist klar: Je größer die Orgel, umso mehr Möglichkeiten hat der Arrangeur. Hofmann verwendet außer dem elektrischen Piano keinerlei Elektronik. Einen Computer, der gespielte Töne automatisch in ein gelochtes System für Drehorgeln umwandelt, hat er nicht. „Brauche ich auch nicht“, sagt er. Denn ihm ist es wichtig, dass seine Stücke auch „Seele“ haben. Es gehe nicht um eine 100-prozentige Kopie einer Melodie, sondern da müssten auch noch Ausschmückungen dazu. „Und dazu muss man wissen wie eine Drehorgel funktioniert und welche Möglichkeiten man da hat“, sagt Hofmann.