Es ist eine beschauliche Buchhandlung inmitten der Kur- und Bäderstadt. Sie nennt sich "Schwaaz Vere" – frei nach einem Räuberhauptmann. "De schwaaz Vere", der mit bürgerlichem Namen Xaver Hohenleitner hieß, trieb mit seiner zwölfköpfigen Bande von 1817 bis 1819 im ganzen schwäbischen Oberland sein Unwesen. "Wir wollten etwas, das mit der Region verbindet", erklärt der Inhaber Frank Eisele zur Namensgebung seines Buchladens 1984 – auch wenn sich für ihn schnell ein anderes Bild von diesem "Schlingel" ergab. Seine Homepage ist auf ihn zugeschnitten und begrüßt den Anklickenden mit "Willkommen in unserer Räuberhöhle". Und die "Schwaaz Vere's Jazz Gang" hatte bei den Eiseles zur Eröffnung des ersten Buchladens vor 33 Jahren aufgespielt.
Die Erinnerung an die wilden Anfangsjahre seiner beruflichen Existenz bringt er mit "Wir waren jung und absolut nicht erfolgreich" auf einen selbstkritischen Nenner. Die erste Adresse ein paar Meter weiter entfernt war auf 40 Quadratmeter beschränkt. Erst mit dem Bezug des zweiten Domizils in der Hauptstraße 8, wo sich die Fläche auf 100 Quadratmeter vergrößerte, habe sich 1989 der Erfolg eingestellt. Und mit dem Umzug vor einem halben Jahr, direkt an den Marktplatz, ist nun das Optimum erreicht. Seine Frau Sabine, so betont es Frank Eisele, sei der zweite Erfolgsfaktor, da sie gestalterisch und inhaltlich für das Sortiment verantwortlich ist und zudem ein deutlich kundenfreundlicheres Ambiente und Angebot durchgesetzt habe.
Der Buchhändler sagt, man müsse sich entscheiden, ob man sich auf einen Grossisten verlässt oder die Zeit mit unabhängigen Verlagsvertretern investiert. Über diese Schiene habe er, jüngstes Beispiel, das Buch "1967 – Als Pop unsere Welt für immer veränderte" entdeckt. "Es ist klasse geschrieben", stellte er fest und veranstaltete mit dem Autor Ernst Hofacker im Gasthaus "Bohnenstengel" eine Lesung. Klar trifft es auch seinen Musikgeschmack, zumal er als elfjähriger Steppke sich mit den Beatles und Stones anfreundete – zeitversetzt, dafür mit voller Wucht. Vorlieben hat er auch zur englischsprachigen Literatur: Deren Autoren würden ihm das Gefühl vermitteln, als hätten sie "das erzählerische Element mit der Muttermilch aufgesogen."
Eigentlich kommt Frank Eisele, der die ersten sechs Lebensjahre in Sigmaringen verbrachte, aus einem "buchlosen" Elternhaus. Sein Vater war als Bäcker und Konditormeister vielbeschäftigt, die Mutter arbeitete als Verkäuferin im Geschäft. Als glücklichen Umstand wertet er die Tatsache, dass sich ihre Wohnungsvermieter, die ihn tagsüber betreuten, als Bildungsbürger entpuppten – mit großer Bibliothek. "So habe ich Zugang zum Buch gefunden", erzählt der 57-Jährige schmunzelnd. Mit einer stattlichen Karl-May-Buch-Sammlung stieg er ins Genre ein.
Frank Eisele hat keinen Grund, ein Klagelied über wegbrechende Laufkundschaft zu singen. "Wir haben einen wunderbaren Kundenstamm", sagt er. Eltern kämen mit ihren Kindern, die früher schon seinen Laden besucht hätten, sozusagen in zweiter Generation. "Das ist das ganz große Pfund, mit dem wir gegen das Internet wuchern können", sieht Eisele in der Kontaktpflege, in der eigenen Begeisterung zur Literatur die wichtigsten Attribute. Darüber hinaus verfüge seine Frau als ausgebildete Grund- und Hauptschullehrerin über viel pädagogisches Geschick. Veranstaltungen würden im kulturell kleinen Rahmen abgehalten, literarische Städtereisen mit Bild, Ton, Musik und Lesung kombiniert. Und in punkto Jugend ist eine enge Kooperation mit dem Jungen Kunsthaus geplant.
Schwaaz Vere
Die Buchhandlung in Bad Saulgau existiert seit 1984 und hat seit Juni 2016 im neu bezogenen Domizil in der Hauptstraße 54 einen barriefreien Zugang. Die nächste Lesung haben die Inhaber Frank und Sabine Eisele mit Michael Boehnke organisiert, er wird am 6. März seinen neuen Kriminalroman "Versumpft" vorstellen. Eva Württemberger kündigt sich dann für den Mai an. In ihrem Roman "Das Sonnenwirtle – Friedrich Schwahn und seine Braut" geht sie auf die Spur eines berüchtigten Räubers, was zur Namensgebung der Buchhandlung ideal passt, und sie wird ihren Text auch musikalisch begleiten. (jüw)