In den 1950er- und 1960er-Jahren am Broadway und in London ein Kassenschlager, 2023 im Salem Kolleg ein hinreißendes Gesamtkunstwerk mit weit über 100 Mitwirkenden: Das Musical „The Sound of Music“ rund um die wahre Geschichte der berühmten singenden Trapp-Familie hatte am vergangenen Freitag in der Aula des Salem International College in Überlingen Premiere.

Schülerinnen und Schüler aus allen Jahrgangsstufen der Schule Schloss Salem und des Salem Kollegs spielten, sangen und tanzten sich unter der Regie von Keith Lefever und Ian Waldraff in die Herzen des Publikums. Über 40 jugendliche Darstellerinnen und Darsteller agierten auf der Bühne. Daneben lieferte ein 30-köpfiges, sehr gut disponiertes Orchester mit Streichern, Bläsergruppe und Klavier sowie 25 Choristen unter der musikalischen Leitung von Thomas Braun den begleitenden Sound. Zahlreiche weitere helfende Hände sorgten hinter der Bühne für Technik, Maske, Kostüme, Requisiten und reibungslose Umbauten.

Herausragende Akteure

Die perfekte Koordination einer so großen Bühnenfamilie ist für sich schon eine Meisterleistung. Wirklich Herausragendes leisteten darüber hinaus die jungen Akteure auf, neben und hinter der Bühne. Mit großer Musikalität, mit Tempo und Textsicherheit, Witz und Präsenz entfalteten sie den musikalischen Bilderbogen der in den 1930er-Jahren im österreichischen Alpenland spielenden Geschichte.

Die junge Novizin Maria verlässt das Kloster und lebt erst als Gouvernante, später als Ehefrau im Haushalt des Barons von Trapp und nimmt die musikalische Ausbildung seiner sieben Kinder beherzt in die Hände. Amélie Matturi spielte die Rolle der Maria bravourös mit viel Charme, Humor und Wärme und meisterte mit klarer, voller Stimme scheinbar mühelos die anspruchsvollen Songs, egal ob Solo, im Duett oder mit der Schar der Trapp-Kinder.

Die Darsteller der sieben Trapp-Sprößlinge präsentierten sich ihrerseits als wirklich starke Truppe, fix im Zusammenspiel und stark im Ausdruck. Die musikalische Karriere ihres historischen Vorbilds würde man ihnen ohne weiteres Zutrauen. Die berühmten Songs „Do-Re-Mi“ oder auch „So Long, Farewell“ lieferten Ida Gottstein (Lisl), Ema Zikmundova (Friedrich), Alissa Schweikard (Louisa), Tamme Peters (Kurt), Lisan Kuttler (Brigitta), Martha Ptok (Marta) und Sophie Atrott (Gretl) wirklich perfekt ab. Ida Gottstein (Lisl) begeisterte darüber hinaus in „Sixteen Going on Seventeen“ auch im musikalischen Tête á Tête mit Jakob Hanten (Rolf Gruber). Konstantin Egensperger gab seinem Kapitän von Trapp zunächst die passende militärisch kantige Kontur und wandelte sich dann bis hin zum Song „Edelweiß“ anrührend auch zum musikalischen Oberhaupt der Trapp-Familie.

Franziska Bresele als mondäner Störfaktor Elsa Schrader sang und spielte ihre Rolle mit Grandezza und Bravour, ebenso wie Hannes Dewender als politisch allzu wendiger Kulturmanager Max Detweiler. Joel Wiesner als Butler Franz und Cara Fehlauer als Hausdame Frau Schmidt komplettierten den Trapp‘schen Haushalt überzeugend. Souverän auch Franziska Raupp in ihrer Rolle der gütigen Mutter Oberin. Ihre anspruchsvollen Gesangspartien setzte sie sicher und gekonnt gegen die Orchesterklänge. Die Gruppe der Klosterschwestern um sie herum (Ariuna-Maria Mosinger, Nathalie Buchholz und Victoria Stoevesandt) bildeten ein wunderbar eingespieltes Mini-Ensemble für sich.

Neben der präzise und einfallsreich ausgearbeiteten Regie und Choreografie (Isabel Kirschbaum, Svenja Ebbeskotte und Darius Boehm) trug auch das raffiniert wandlungsfähige, mit Projektionen arbeitende Bühnenbild (Ariane Scherpf) zum überaus stimmigen und gelungenen Gesamteindruck der Aufführung bei.

Als Kapitän Trapp sich nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich weigert, in der Deutschen Marine zu dienen, nimmt die Handlung eine dramatische Wendung. Die Trapp-Familie muss Hals über Kopf vor den Nationalsozialisten nach Amerika fliehen. Die Friedhofsszene, in der sich die flüchtende Familie Trapp zwischen den Grabsteinen des Klosterfriedhofs ängstlich zusammenkauert und den Verfolgern nur knapp entgeht, ging auf der Bühne des Salem Kollegs besonders unter die Haut.

Vor dem Hintergrund der kriegerischen Konflikte unserer Zeit bekommt „The Sound of Music“ eine eindrückliche Aktualität. „Wir haben die Verantwortung, zum Ausdruck zu bringen, dass Gewalt nicht die Vision für unsere Welt ist,“ schreiben die Regisseure LeFever und Waldraff im Programmheft in ihrer „Director‘s Note“. Und so feierte die ganze Produktion von „The Sound of Music“ überaus erfolgreich und berührend die lebensbejahende Kraft der Musik und der Kunst. Das Publikum spendete begeisterten Applaus.

Die wahre Geschichte der singenden Trapp-Familie

  • Realität: Es geht um die Geschichte der singenden Familie des k. u. k. Marineoffiziers Georg Ritter von Trapp, im Ersten Weltkrieg hoch dekorierter Kommandant des U-Boots SM U5. Dennoch ließ er sich nach dem Anschlusses Österreichs 1938 nicht mit den Nationalsozialisten ein und wanderte in die USA aus, wo der vielköpfige Familienchor große Erfolge feierte.
  • Künstlerische Verarbeitung: Diese Geschichte begeisterte nach dem Zweiten Weltkrieg jenseits und diesseits des Atlantiks. Die Lebenserinnerungen von Maria Augusta von Trapp (geboren 1905 in Wien, gestorben 1987 in Morrisville, Vermont, USA) erschienen 1949 in den Vereinigten Staaten und 1952 in Österreich. Auf deren Grundlage entstanden in den Folgejahren zahlreiche künstlerische Werke. In Deutschland wurde die Geschichte 1956 verfilmt – es wurde einer der erfolgreichsten deutschen Filme des 20. Jahrhunderts überhaupt. 1958 gab es eine Fortsetzung. In den USA selbst wurde die Geschichte – ebenfalls geschönt und dramatisiert – 1959 in dem Musical „The Sound of Music“ auf die Bühne gebracht. Nach jahrelangen Erfolgen drehte Hollywood 1965 mit Julie Andrews und Christopher Plummer einen der kommerziell erfolgreichsten Kinofilme der Filmgeschichte – mit Ausnahme von Deutschland und Österreich. Zu präsent war der alte Film mit Ruth Leuwerick und Hans Holt noch. Unter dem Titel „Die singende Familie Trapp“ (Torappu ikke monogatari) entstand 1991 in Japan eine 40-teilige Animeserie. Eine Neuverfilmung in einer deutsch-österreichische Koproduktion kam 2015 in die Kinos. (mba)