Überlinger – Ausbildung und Arbeitsplatz sind das A und O für eine Erfolg versprechende Integration von Flüchtlingen. Darin sind sich alle Experten einig. Umso wichtiger sind für junge Menschen die Vorbereitung auf einen Beruf in den speziell eingerichteten Klassen an der Justus-von-Liebig- und an der Jörg-Zürn-Gewerbeschule sowie die Vermittlung in einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Gerade in diesem Bereich engagiert sich inzwischen schon seit einigen Monaten der Überlinger Gunter Schwarz ehrenamtlich und in enger Absprache mit den Betreuern und den Lehrern. "Das ist unheimlich wichtig", bekräftigt auch Udo Pursche, Leiter des Diakonischen Werks, "und es hat schon erste Früchte getragen."
Besonders froh und selbst erstaunt über manche Perspektiven, die sich ihm eröffnen, ist Schwarz, der dabei seine guten Kontakte zu vielen Überlinger Firmen nutzt. "Ich stoße meistens auf offene Ohren und Interesse", bestätigt er und freut sich am meisten über die Erfolge. "Vor Kurzem konnte ich einen jungen Syrer bei Puren unterbringen", sagt Schwarz, "und der zuständige Abteilungsleiter war begeistert. Das ist ein Musterbeispiel."
Natürlich geht es nicht immer so glatt. Deshalb versucht Gunter Schwarz die Jugendlichen sehr frühzeitig zu erreichen und ihnen zunächst Orientierungshilfe zu geben – über das Angebot an Geschäften, Läden und Handwerksbetrieben. Dazu sollte auch ein Besuch im Einkaufszentrum "La Piazza" dienen, zu dem er mehr als 20 Schüler der sogenannten VABO- bzw. VAB-Klassen in Überlingen mitnahmen und nach Absprache mit den Betreibern eine Tour durch das Zentrum machte – beginnend Intersport Profimarkt über verschiedene Bekleidungs- und Schuhgeschäfte und die Buchhandlung bis zum Bäcker.
Angetan von der Initiative waren auch die Pädagogen Paul Baur (Jörg-Zürn-Gewerbeschule) und Bernadette Moser (Justus-von-Liebig-Schule), die Schwarz und die Schülergruppe ebenso begleiteten wie Iris Suhr, die vom Christlichen Jugenddorfwerk (CJD) den Kontakt zu den jungen Menschen hält. Ganz unterschiedlich sind noch die Deutsch-Kenntnisse und die kommunikativen Kompetenzen der jungen Flüchtlinge.
"Guten Tag, herzlich willkommen", begrüßt sie Elke Weidlich vom Bekleidungsgeschäft Marco Moden freundlich und stellt ihr Angebot vor. Gunter Schwarz nimmt gleich das Heft in die Hand, greift in den Kleiderständer und demonstriert an zwei jungen Frauen, was 'Farb- und Stilberatung' in der Praxis bedeutet. Der 18-jährige Dlshad aus dem syrischen Kurdistan strahlt nebenan und schreitet gleich zur Hutprobe.
Die ersten Brocken Deutsch gehen schon. Doch tut es gut, von Buchhändler Andreas Braun zu hören, dass er Rafik Schami auch in arabischer Sprache bestellen kann. Eigens aus Gottmadingen angereist war Timo Dollinger, der junge Regionalleiter der K&U-Bäckerei. "Es war klar, dass wir das unterstützen und ich dazu auch selbst herfahre", sagt er und bietet den Schülern erst mal ein kleines Häppchen an. Er demonstriert, wie ein Hefezopf vor Ort gebacken wird und was einen Brezel ist. Dem Laugengebäck sind zwar die meisten schon begegnet, doch die Offenheit von Dollinger kommt bei den jungen Leuten gut an. "Hepp!" ruft er und wirft jedem einen Yoghurt-Drink zu.
Noch sind die Schüler in ihrem ersten Jahr in der Klasse. Doch ab September sollen alle ein erstes Praktikum absolvieren. Da sind derlei Orientierungshilfen von unschätzbarer Hilfe und bauen die Distanz auf beiden Seiten ab. "Wir haben auch schon einige andere Firmen besucht", sagt Gunter Schwarz. Doch hier gibt es viel auf engstem Raum. Lehrerin Bernadette Moser macht die Arbeit mit den bunt zusammen gewürfelten Menschen großen Spaß, wie sie sagt. "Es ist ähnlich wie bei meinen deutschen Klassen", erklärt sie: "Viele sind sehr interessiert und neugierig, der eine oder andere stört auch mal."
VAB und VABO
Das Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf (VAB) soll jungen Menschen ohne Hauptschulabschluss, doch mit ausreichenden Deutschkenntnissen, helfen, Wege ins Berufsleben zu finden. In diesem Rahmen ist es möglich, den Hauptschulabschluss zu erwerben. Für Schüler ohne Deutschkenntnisse gibt es vorgeschaltet das Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntniss (VABO), bei dem die nötige Sprachkompetenz erworben werden kann. Auch hier ist im zweiten Jahr ein berufliches Praktikum vorgesehen. (hpw)