Die unvoreingenommene Art, der unverstellte Blick, mit dem die Schüler an ein Theaterstück herangehen, macht den besonderen Reiz der Klassenspiele aus. So auch am vergangenen Wochenende, da spielte die Klasse 12 A der Waldorfschule vor vollen Rängen. Die renommierten Regisseure, im vergangenen Jahr Nicolaus Okonkwo und heuer Nils Daniel Finck, selbst ehemalige Waldorfschüler, haben sichtlich Freude an dieser Arbeit. Die Aufgabe, die sich die Schüler mit Frank Wedekinds „Frühlingserwachen“ gestellt hatten, war keine einfache. Die Erwartungen des verwöhnten Publikums sind hoch.
Die Kritik gleich vorneweg: Teilweise war die enorme Textfülle des Stückes, besonders bei der Figur des Melchiors, gespielt von Jonas Bussler, nur schwer verständlich. Das Lob gleich hinterher, auch Bussler wie alle Akteure auf der Bühne bot eine reife Leistung. Was die Nuschelstimme – und mit dieser ist ja ein anderer großer deutscher Schauspieler sehr erfolgreich – nicht hergab, machte er durch Körpereinsatz wieder wett. So erfolgten die Standing Ovations des Publikums am Ende des Abends vollkommen zu Recht. Moritz Stiefel, der hochbegabte tragische Held des Stückes, der sich am Ende dem Leben verweigert und durch eigene Hand von dieser Welt scheidet, gespielt von Baldouin Bee, war vielleicht etwas überzeichnet hampelig, aber einfach fabelhaft anzusehen. Clara Kaupp überzeugte als Wendla in der weiblichen Hauptrolle. Das Wechselspiel zwischen Leichtigkeit und tragischer Schwere meisterte sie hervorragend. Alle Schauspieler bis in die kleinste Nebenrolle gaben alles und das kam deutlich rüber und nötigte dem Publikum viel Respekt für die dargebotene Leistung ab. Ein besonderes Lob auch dem Bühnenbild. Hier gelang es, mit einfachen stilistischen Mitteln sehr viel Tiefe, Lebendigkeit und Ausdruck zu transportieren. Auch Chor und begleitende Musiker an Cello und Klavier trugen sehr zum harmonischen Gesamtbild bei. Die Lebensfreude der Jugend, symbolisiert durch einen Badezuber, die ohnmächtige Ilse, toll gespielt, die Rektorin Sonnenstich sowie die über die Leinwand transportierte Sachlichkeit. Szenen, die hängen bleiben. Tolles Spiel!