Mit einem großen Festakt haben Schülerinnen und Schüler mit ihrem Schulleiter Martin G. Hoffmann das 200-jährige Bestehen des Hohenzollern-Gymnasiums (HZG) gefeiert. Vor Hunderten von Gästen war die Riege der Redner prominent besetzt. Allen voran Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der heutige Landesvater absolvierte vor 50 Jahren auf dieser Schule selbst sein Abitur und sorgte wohl bei seiner Abitursfeierrede für einen Eklat: Der damalige Schulleiter hatte aus Protest die Veranstaltung verlassen, wie der aktuelle Schulleiter des HZG, Martin G. Hoffmann, süffisant in Erinnerung rief. Kretschmann hatte aber auch an dieser Schule unterrichtet und war im Kollegium auf seine ehemaligen Lehrer getroffen.

Winfried Kretschmann berichtete von oftmaligen Grabenkämpfen in der Schulpolitik. Seiner Ansicht nach teile sich die Phalanx der Pädagogen in zwei hauptsächliche Kategorien: In die Schule der Gärtner, die in einer guten Umgebung die Schüler reifen, wachsen und gedeihen lassen wollen. Und in die Schule der Töpfer, die den jungen Menschen formen wollen, damit aus ihm ein mündiger Bürger werde. Schließlich gebe es auch noch die Schule des Schmieds, die sei damals vorherrschend gewesen. So könne er verraten – und er hatte natürlich die Lacher auf seiner Seite –, dass der Schulleiter in seiner Gymnasialzeit von 1968 nicht der Gärtnerfraktion angehörte. Jedenfalls habe die letztere Kategorie erheblichen Auftrieb bekommen, sie pflege einen antiautoritären Stil. Der Methodenstreit, vom Gärtner zum Töpfer abwechselnd, zeige jedoch, wie wichtig die Person des Lehrers sei. „Und der pädagogische Auftrag ist heute nicht weniger wichtig“, betonte der Ministerpräsident. Er stärke die Urteilskraft, mit der die Schüler lernten, Fakten von Fakes zu unterscheiden.
„Wir brauchen die Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften, wir brauchen die Kunsterziehung zur Kreativität. Wir brauchen den Sport zum Erlernen des Wettkämpfens“, sagte Kretschmann. Auf das Training von menschlichen Fähigkeiten komme es im digitalen Wandel mehr denn je an: „Linguistische Informatik ist die Sprachwissenschaft der Zukunft!“ Die Lehrerschaft ermunterte er gewissermaßen, auch einmal „unsinnige Reformen auszusitzen“. Den Eltern legte er nahe, mehr auf die Urteilskraft dieses Fachgremiums zu vertrauen. Für Kretschmann ist klar: „Das HZG gehört zu den besten Gymnasien des Landes!“

Im Namen seines Fürstenhauses gratulierte Fürst Karl Friedrich von Hohenzollern dem HZG. Mit ihm könne er sehr gute Erinnerungen zwischen 1963 und 1969 verbinden. „Ich war kein besonders guter Schüler, ließ mich durch Musik ablenken und habe so nach drei Jahren meine erste Ehrenrunde gedreht“, räumte der Adelige zum Amüsement des Publikums ein. Mit dem Neubau 1975 sei das HZG seinen Weg gegangen und stehe heute besser da denn je. Der Fürst brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der Lehrermangel bald behoben werden könne.

Weitere Grußworte sprachen Susanne Pacher, Präsidentin der Abteilung „Schule und Bildung“ im Regierungspräsidium Tübingen, Sigmaringens Bürgermeister Marcus Ehm und Siegbert Rebel, Vorsitzender des HZG-Elternbeirats.

Eingestimmt wurde das Auditorium durch das Orchester des Hohenzollern-Gymnasiums, es spielte das Finale der 5. Sinfonie von Beethoven. Zwischen jeweiligen Redebeiträgen blickten Schüler durch historische Rückblicke auf die Schulgründung von 1818 mithilfe des Googelns zurück. Sie streiften über eigene, äußerst gewitzte Darbietungen auf der Bühne die Genres Kunst, Literatur und Theater zu jener Zeit, sie führten schwungvolle Tänze auf. Auch die Entwicklung der Naturwissenschaft wurde in den 200 Jahren persifliert – eine rundum eindrucksvolle und kurzweilige Gestaltung des zweistündigen Bühnenprogramms. Zu guter Letzt trat der große HZG-Chor auf und sorgte mit bekannten Stücken der schwedischen Popgruppe Abba für eine fröhliche Stimmung zum Ausklang.
Eckpunkte der Schulgeschichte
Die Wandlung des einzigen katholischen Gymnasiums im Fürstentum Hohenzollern zu einer modernen Lehranstalt:
- 1818: Schulgründung durch Fürst Anton Aloys von Hohenzollern-Sigmaringen in den Räumen des ehemaligen Klosters Hedingen. Es war eine Lateinschule ohne Abschlussklassen mit anfangs 25 bis 30 Schülern.
- 1837: Unter Fürst Karl wird die Schule zum Vollgymnasium, ab 1840 gibt es das Abitur als Abschluss.
- 1848/50: Mit dem Übergang der hohenzollerischen Fürstentümer zu Preußen wird das Gymnasium zum „Königlichen katholischen Gymnasium zu Sigmaringen“.
- 1870: Im preußischen Kulturkampf ist das Gymnasium ein Brennpunkt, es gilt als „zu katholisch“. Rektoren und viele Lehrer kommen von da an aus dem preußischen Rheinland.
- 1893: Die Schule erhält einen Neubau (heute: Theodor-Heuß-Realschule). Die Schülerzahl steigt auf 200.
- 1914: Der jüngste Schüler, der sich freiwillig zum Kriegsdienst meldete, ist 14,5 Jahre alt.
- 1918: Die Schule wird zum Katholischen Staatlichen Gymnasium. Mit den demokratischen Unterrichtsformen offenbaren die Lehrer Probleme.
- 1924: Das erste Mädchen wird regulär aufgenommen.
- 1933: Das Führerprinzip wird eingeführt, die NS-Ideologie nimmt einen großen Raum im Unterricht ein. Die einzige jüdische Schülerin verlässt 1935 die Schule – ein Jahr lang hatte keiner mit ihr geredet.
- 1945: Nach der Besetzung der Stadt durch Frankreich wurde der Schulleiter abgesetzt, die Lehrer mussten sich der Entnazifizierung unterziehen. Die Schule wurde wieder ein altsprachliches Gymnasium mit 500 Schülern, sodass 1956 ein Anbau nötig wurde.
- 1968-75: Die Schülerzahlen verdoppeln sich, die Stadt übernimmt die Schulträgerschaft und erstellt den Neubau auf dem Mühlberg. Der Neubau wird 1975 bezogen, der Name in Hohenzollern-Gymnasium geändert. Die Schülerzahlen steigen auf 1100, die Zahl der Mädchen nimmt rapide zu.
- 2000: Altgriechisch verschwindet, Latein verliert an Bedeutung. Dafür bilden sich die heutigen Profile aus Spanisch, Naturwissenschaft und Technik, Musik. 2004 ist die Schule ein G8-Gymnasium und wird zur offenen Ganztagesschule sowie zur ersten städtischen Schule mit Mensa.
- 2018: Energetische Sanierung des Gebäudes und pädagogischer Umbau zur Schaffung neuer Lernbereiche und zur Förderung eines individualisierten Unterrichts: Kostenvolumen 11 Millionen Euro. (jüw)