Pfullendorf hat ganz doll Leerstand – kein singuläres Problem der Stadt im Linzgau. Die Probleme liegen auf der Hand: hohe Mieten, gestiegene Betriebskosten und nicht zuletzt der Onlinehandel. Amazon und Co. liefern alles gemütlich nach Hause, warum dann in die Innenstadt quälen? Es gibt viele baden-württembergische Kommunen, die massiven Leerstand beklagen.
Gratis Busverkehr, WLAN und Pop-up-Läden
Etwa Reutlingen, wo Galeria Kaufhof und das Modekaufhaus Breuninger schlossen. Die Stadt steuert mit verschiedenen Maßnahmen gegen: Samstags ist der Busverkehr in Reutlingen gratis, ebenso die zweite Stunde Parken in den städtischen Tiefgaragen. Mehr Dekoration, mehr Sicherheit, mehr Sauberkeit – und bald soll es kostenloses WLAN geben.
In meiner vorherigen Volontärsstation Donaueschingen gibt es ebenfalls ein Konzept gegen Leerstand. Die Idee: Die Läden werden vorübergehend an Gründer, Künstler, Vereine oder kleine Händler vermietet – zu niedrigen Mietkonditionen. Die Pop-up-Läden sollen die Hemmschwelle für Gründer senken und Laufkundschaft anziehen.
Auch durch Mietzuschüsse oder Förderprogramme könnten junge Gründer angelockt werden. Der Bund bietet etwa das Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ an. Das Land hat das „Sofortprogramm Einzelhandel/Innenstadt“ ausgerufen, mit dem etwa das Stadtmarketing oder Veranstaltungen gefördert werden können.
30 Minuten Gruppenaufnahme müssen reichen
Nun möchte auch die Stadt Pfullendorf Gründer anlocken – mit einem Imagevideo, in dem lokale Unternehmer in die Kamera schwärmen, wie schön leer die Innenstadt ist. In der Einladung heißt es, man wolle unter dem Motto „Deine Chance – Dein Laden – Unser Pfullendorf“ den Zusammenhalt der örtlichen Geschäftswelt sichtbar machen. Eingeladen waren alle Unternehmer zu einer kurzen Gruppenaufnahme.
Eine halbe Stunde sollten sich die Unternehmer Zeit nehmen, um ein Hochglanzvideo zu erstellen. Durchaus absurd, dass jede Kommune glaubt, mit einem schnell zusammengeschusterten Video Start-ups aus Berlin anlocken zu können. Nach dem Motto: Wir wollen unseren Leerstand nicht verstecken – sondern beleuchten, filmen und vertonen.
Wer am Ende kommt, wusste nicht mal der Bürgermeister
Wer letztlich wirklich kam, wusste im Vorhinein mutmaßlich nicht einmal Bürgermeister Ralph Gerster, der höchstselbst auf der Einladung unterschrieben hatte. Immerhin: Für diejenigen, die sich die Zeit mitten im Urlaubs- und Feierabendstress freischaufeln konnten, gab es noch eine Erfrischung beim Afterwork im Klosterhof. Ein lockerer Ausklang, der den Austausch anregen sollte. Vermutlich darüber, wo der nächste Laden schließt.
Aber vielleicht ist es ja genau dieser unfreiwillige Charme der Provinz, der uns nachher eines Besseren belehrt. In einer Welt voller von teuren Marketingagenturen produzierten Hochglanzvideos könnte Pfullendorfs ehrliche Bodenständigkeit fast schon wieder positiv auffallen. Wenn man es mit einem Augenzwinkern sieht.