Pfullendorf – Der über viele Jahre größte Küchenhersteller in Europa blickt auf eine 90-jährige Firmengeschichte zurück. Vor 60 Jahren siedelte Albert Nothdurft in Pfullendorf an. Die Basis seiner neuen Unternehmung war der Bau einer 3000 Quadratmeter großen Produktionshalle.
Keine Frage: Die Erfolgsgeschichte von Alno als Weltmarke in der Küchenbranche ist ohne ihren Seniorchef und Namensgeber Albert Nothdurft, der bis 1995 als Geschäftsführer fungierte, undenkbar. Weil ihm in seinem Heimatdorf Wangen bei Göppingen eine Ausweitung der Gewerbeflächen nicht mehr ermöglicht worden war, stieß er bei seiner Suche eher zufällig auf Pfullendorf mit seinen 3500 Einwohnern. Damals wurde publik, dass dort die Stadtväter um Dr. Walter Ott, Hermann Löffler und Josef Netzel den weisen Beschluss fassten, um etwas im verträumt vor sich hin dämmernden badischen Städtchen abseits der Peripherie zu verändern: Sie wollten Industrie ansiedeln.
1954 streckte Albert Nothdurft seine ersten Fühler nach Pfullendorf aus. Erster Kontaktmann war der Holzhändler Karl Kollöffel, der ihm günstige Aufbaukredite beim Erwerb von Bauland in Aussicht stellte. Gastronom Willi Nusser und Gipsermeister Sebastian Gsell vom Gemeinderat hätten ihm die Ansiedlungsmöglichkeit am Ortsausgang im Osten der Stadt in Richtung Denkingen in den schillernsten Farben beschrieben. Gleich bei der ersten Begehung sei ihm wegen des stürmischen Windes der Hut fortgeflogen, und er, der wegen einer operativ verursachten Fußverkürzung nicht mehr so flink auf den Beinen war, durfte im Dauerlauf seiner Kopfbedeckung hinterhersprinten.
Jene Episode schildert Albert Nothdurft in seinen „Erinnerungen“, die er in seinem späteren Leben schriftlich abfassen ließ, auf sehr amüsante Weise. Natürlich wurden sie sich handelseinig. Und die neuen Fachkräfte waren schnell gefunden. Auf eine Zeitungsannonce im SÜDKURIER standen plötzlich 250 Bewerber Schlange. Mit 50 Arbeitskräften sollte 1957, also vor 60 Jahren, im Sommer die Produktion von Kleinmöbeln beginnen. Nicht alle kamen vom Schreinerhandwerk. Deshalb sollten innerbetriebliche Seminare dazu dienen, dass die Firma über Jahrzehnte hinweg hochqualifizierte Alno-Werkmeister und Fachkräfte rekrutieren konnte.

Schon in dieser Zeit haben ihn seine Söhne maßgeblich unterstützt: Arnold im technischen Bereich, der seine Einsatzbereitschaft und Zuverlässigkeit im ersten halben Jahr auch dadurch zeigte, indem er ein improvisiertes Nachtquartier in einer geschützten Ecke der neuen Fabrikhalle bezog. Sohn Arthur übernahm als 22-Jähriger umsichtig die kaufmännische Leitung. Und Otto, der spätere herausragende technische Leiter, führte zunächst das Stammhaus in Wangen bei den „Schwäbischen Hüttenwerken“ weiter. Das Zusammenwirken seiner Söhne wertete Albert Nothdurft als ausschlaggebend für den erfolgreichen Start in den Anfangsjahren. Und er lobte auch die Verlässlichkeit seiner Mannschaft, die ihm bei anfänglichen Flauten stets den Rücken stärkte und nicht auf die Uhr geschaut habe. „Alno war für Pfullendorf ein Segen und wir haben auch gutes Geld verdient“, bringt Eduard Allweyer, der sich ebenso als exzellenter Fußballer des SC Pfullendorf einen Namen machte, auf den Punkt, wie sehr sich die Belegschaft mit der aufstrebenden Firma identifizierte.
Als Mitarbeiter der ersten Stunde hielt er dem Unternehmen Alno bis zu seiner Pension 1998 stets die Treue.
1960 lag der Jahresumsatz bei 4,9 Millionen Mark, die Zahl der Mitarbeiter war auf 95 angestiegen. Im Jahr darauf waren es bereits 120 Beschäftigte und es wurden 6,6 Millionen Mark Umsatz verzeichnet. Die beiden Söhne Otto und Arthur Nothdurft waren zu jener Zeit in der Geschäftsleitung bereits voll integriert.

Es lag nicht nur am Wirtschaftswunder, das, von der Konjunkturdelle 1966/67 abgesehen, anhielt. Der fulminante Aufschwung war eng mit Albert Nothdurft verbunden, den die Fachwelt als Mann mit hohem Engagement, mit Initiativgeist und großem Weitblick einstufte. Er besuchte Möbelmessen, um Möglichkeiten zur Erschließung des internationalen Marktes zu erkunden. Seine Handelsvertreter schwärmten ins gesamte Bundesgebiet aus. Auslandkontakte wurden europaweit hergestellt. Und aus dem Einzelunternehmen war 1968 eine Kommanditgesellschaft geworden, die Alno-Möbelwerke GmbH & Ko KG, mit einer Betriebsfläche, die sich enorm auf 64 300 Quadratmeter erweitert hatte. Die Historie über Alno wird im SÜDKURIER fortgesetzt.
Zur Person
Albert Nothdurft meldete am 1. Januar 1927 den Gewerbebetrieb "Selbstständige Schreinerei Albert Nothdurft" in seinem Heimatdorf Wangen bei Göppingen (mit knapp 1000 Einwohnern) an. Im Jahr darauf legte er seine Meisterprüfung im Schreinerhandwerk in Stuttgart ab. Er beschreibt die Anfänge als Existenzkampf voller Mühsal. Der Dachstock im Elternhaus – er war der 16. Sohn einer armen Bauernfamilie – wurde zur Werkstätte umfunktioniert. Als das Geschäft florierte, kamen Scheuer und Stallungen hinzu, zumal seine Eltern die Landwirtschaft aufgegeben hatten. Erste Rückschläge erlebte der junge Nothdurft als 25-Jähriger 1933, als die Nazis an die Macht kamen und ihn, den "Unpolitischen", als jüngstes Ratsmitglied entbanden. Seine neu bezogene Schreinerei wurde 1939 auf Rüstungsaufträge umgestellt – mit zehn Dienstverpflichteten, was er als belastend empfand. Nach Kriegsende durfte er unter US-amerikanischer Besatzung nach sechswöchiger Evakuierung die Arbeit wieder aufnehmen, bekleidete kurzzeitig das Amt des kommissarischen Bürgermeisters in Wangen. Als Fabrikant verliehen ihm die Göppinger zum 60. Geburtstag am 6. Februar 1965 das Bundesverdienstkreuz. Die Pfullendorfer Delegation setzte sich aus Bürgermeister Hans Ruck und den Stadträten Netzel, Gsell und Nusser zusammen. Gestorben ist er am 21. Januar 1997 im Alter von 91 Jahren. (jüw)
Gute Erinnerungen an die Anfänge 1957 in einer größeren Schreinerwerkstatt
Eduard Allweyer ist ein Alno-Mann der ersten Stunde. Als 28. Facharbeiter wurde er vom Möbelfabrikanten in Pfullendorf eingestellt.
Sein Handwerk hatte der Sohn einer Landwirtschaftsfamilie aus der Uttengasse bei Schreiner Geiger in der Gartenstraße erlernt und war dort bereits als Geselle tätig. An den Tag seines Arbeitsbeginns bei Alno erinnert sich der heute 79-Jährige genau: Es war der 18. März 1957, "am Josefstag", ein heiliger Tag der katholischen Kirche. Im Gasthof-Hotel "Grüner Baum" kam er zum Vorstellungsgespräch. "Na, Bue, was willst du denn verdienen?", habe ihn Seniorchef Albert Nothdurft gefragt. "So viel wie möglich", antwortete der 20-Jährige unverblümt. Mit 1,30 Mark Stundenlohn startete er in die neue Ära.
Allerdings mussten im Büro der Schreinerwerkstatt erst noch Holzdecken eingezogen werden. Sodann lief die Produktion langsam an: Handtuchhalter, Hocker, Tische und Auszugstische zählten zu den ersten Arbeiten, Anrichten für den Flur wurden am Fließband erstellt. Allweyer arbeitete aber mehr in der Montage, wo Tische fabriziert wurden. Und der Seniorchef ermahnte zum sparsamen Materialverbrauch.
Allweyer leistete 1958 seinen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr ab. Bei seiner Rückkehr ging es in der Möbelfabrik bereits los mit der Herstellung von Küchenmöbeln, mit Ober- und Unterschränken. Er kam in die Maschinenfertigung, von Maschinenführer Bruno Langkau eingelernt. Alles wurde manuell eingestellt. 1961 wechselte er als spezialisierter Maschinenarbeiter an die erste Alles-Könner-Anlage. Die Umrüstung auf kleine Serien begann. Er wurde Maschinenführer, dann Vorarbeiter und nahm schließlich das Angebot an, über erworbene theoretische Grundlagen Meister in Werk I zu werden. 1976 waren ihm 50 Mitarbeiter unterstellt. 1998 erklomm Alno die Spitze mit 2500 Beschäftigten im Werk. Da ging er gleichzeitig mit 250 Arbeitern in den Vorruhestand, 250 gingen in Rente.
Jürgen Witt