Armin Heim

Die Rede zum 175. Geburtstag Conradin Kreutzers am 30. Oktober 1955 in der Meßkircher Herz-Jesu-Kirche trägt den Titel „Gelassenheit“ und gehört zu den bekanntesten öffentlichen Reden Heideggers. Erstmals wurde hier von einer Persönlichkeit des geistigen Lebens öffentlich Kritik geübt am Geist des Atomzeitalters. Gegenüber Veranstalter Bürgermeister Siegfried Schühle hatte sich Heidegger auserbeten, das Thema der Rede frei wählen zu dürfen. „Ich denke die Sache so „hinzukriegen“, schrieb er an Schühle, „daß die Meßkircher zugleich etwas über die Heimat u. den heutigen Weltzustand erfahren u. zugleich C. Kreutzer in der ernsten Weise geehrt wird“.

Ausgehend von der Beobachtung, dass Gedenkfeiern immer gedankenärmer würden, konstatierte Heidegger in seiner Ansprache eine für das Zeitalter kennzeichnende Gedankenlosigkeit und „Flucht vor dem Denken“. Das nur rechnende Denken nehme überhand auf Kosten des besinnlichen Nachdenkens. Und erneut stellte er die Frage nach der Bodenständigkeit: „Viele deutsche Menschen haben ihre Heimat verloren, mussten ihre Dörfer und Städte verlassen, sind vom heimatlichen Boden Vertriebene. Zahllose andere, denen die Heimat gerettet blieb, wandern gleichwohl ab, geraten in das Getriebe der großen Städte, müssen in der Öde der Industriebezirke sich ansiedeln. Sie sind der alten Heimat entfremdet. Und die in der Heimat Gebliebenen? Vielfach sind sie noch heimatloser als die Heimatvertriebenen.“
 

Der Verlust der Bodenständigkeit komme aus dem Geist des Zeitalters, in das wir alle hineingeboren seien: Mit den Mitteln der Technik bereite sich ein Angriff auf das Leben und das Wesen des Menschen vor, mit dem verglichen die Explosion der Wasserstoffbombe wenig bedeute. Denn gerade wenn die Wasserstoffbomben nicht explodierten und das Leben des Menschen auf der Erde erhalten bleibe, ziehe mit dem Atomzeitalter eine unheimliche Veränderung der Welt herauf. „Wir können“, so Heidegger, ja sagen zur unumgänglichen Benützung der technischen Gegenstände, und wir können zugleich nein sagen, insofern wir ihnen verwehren, dass sie uns ausschließlich beanspruchen und so unser Wesen verbiegen, verwirren und zuletzt veröden. Ich möchte diese Haltung des gleichzeitigen Ja und Nein zur technischen Welt mit einem alten Wort nennen: die Gelassenheit zu den Dingen.“ (aha)