Zeigt der St. Galler Klosterplan ein karolingisches Großkloster? Die Antwort lautet Nein, wie der Vortrag von Professor Matthias Untermann im Festsaal des Meßkircher Schlosses zeigte. Er lehrt am Institut für Europäische Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg und sprach zum Thema "Karolingische Großklöster und ihr Bezug zum St. Galler Klosterplan". Er untersuchte die Bedeutung des Plans für den damaligen Klosterbau und beschrieb seine Details. Dabei ging er auch der Frage nach, ob er als Vorlage für ein Großkloster diente.
Der Kunsthistoriker und Mittelalterarchäologe Matthias Untermann zeigte, wie ein Großkloster zu karolingischer Zeit ausgestattet sein konnte und welche Bedürfnisse es erfüllen musste. Hierzu zeigte er Bilder von Überresten karolingischer Bauwerke, bunter Glasfenster, kunstvoller Stuckdecken und Wandmalereien und verwies auf den sichtbaren Reichtum an architektonischem Schmuck.
Gerade die Verbindung aus Geschichte und Archäologe mache Professor Untermann zu einem interessanten Gesprächspartner, sagte Hannes Napierala als Geschäftsführer der Karolingischen Klosterbaustelle Campus Galli. Denn gerade deren Verbindung sei für die Entwicklung von Campus Galli bereichernd. "Schon in den ersten Stunden mit Professor Untermann auf dem Gelände habe ich einiges dazugelernt", sagte er erfreut. Er hoffe, Untermann zukünftig immer wieder in die Planung miteinbeziehen zu können.
Die Struktur eines Großklosters erklärte der Historiker anhand des Reichenauer Klosters, dessen verschiedenste Gebäude, darunter auch Kapellen, über die gesamte Insel verteilt gewesen seien. Zu einem Großkloster hätten ebenso nahe gelegene oder weiter entfernte Nebenklöster gehört. Zu einem Indiz für ein Großkloster zähle auch die Integration von Kirchenfamilien, was bedeute, dass ein Kloster Raum sowohl für die Mönche bieten sollte, um in asketischer Abgeschiedenheit nach der benediktinischen Regel zu leben, als auch in seiner Funktion als Stift, für die Seelsorge, für die Pilger und die Heiligenverehrung an Altären.
Untermann unterstrich, dass Architekturpläne in der Karolingerzeit nicht als Baupläne zu verstehen seien. Man habe sie vorwiegend zu juristischen Zwecken und als gezeichnetes Gedankenmodell angefertigt. Die Zeichner des St. Galler Klosterplans hätten "zum Spitzenkreis der monastischen Denker gehört". Der Plan sei komplex konstruiert und eine Demonstration von Intelligenz. Er sei allerdings nicht als Vorlage für ein Großkloster konzipiert, denn es fehlen darin Säulen, Kerzen sowie der Hinweis auf Nebenklöster.
Nach den Ausführungen beantwortete der Professor einige Fragen aus dem Publikum. Der Vortrag habe Erkenntnisse gebracht, die "wir diskutieren und wissen müssen", erklärte Hannes Napierala von Campus Galli am Ende der Veranstaltung.