„Wir haben leider schlechte Nachrichten“, eröffnete gestern Stadtwerkechef Jörg-Arne Bias eine Pressekonferenz. Die Stromkosten verteuern sich von derzeit 27,77 Cent je Kilowattstunde ab 2022 auf 29,32 Cent. Ein Drei-Personen-Durchschnittshaushalt zahlt bei einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden jährlich etwa 60 Euro mehr.

Gaskunden zahlen 50 Euro mehr pro Monat

Wesentlich teurer wird es für Gaskunden, denn hier gibt es eine Preiserhöhung von 37,98 Prozent beim günstigsten Tarif. Konkret kostet eine Kilowattstunde statt aktuell 5,53 Cent ab 2022 exakt 7,62 Cent. „Für einen Durchschnittshaushalt bedeutet das etwa 300 Euro pro Jahr mehr, also etwa 50 Euro je Monat“, weiß Bias, dass das für viele der bisher 270 Bestandskunden eine satte Steigerung ist. Dank der auf Langfristigkeit angelegten Beschaffungspolitik ist es den Stadtwerken nach seinen Angaben in den vergangenen vier Jahren gelungen, die Preise stabil zu halten, aber 2021 hätten sich die Beschaffungskosten verdreifacht. Beim Strom werde diese extreme Preissteigerung durch die verringerte EEG-Umlage gedämpft, aber beim Gas würden die dramatisch erhöhten Einkaufspreise voll durchschlagen.

Stromkunden haben ein Recht auf Grundversorgung

Für die Stadtwerke bringt diese turbulente Entwicklung noch weitere Probleme. Etlichen Bürger, die bisher einen billigen Stromanbieter hatten, wurde rechtswidrig der Vertrag gekündigt und einige Stromlieferanten meldeten schon Insolvenz an. „Diese Kunden fallen nun automatisch in die Grundversorgung der Stadtwerke“, erklärt Bias die Situation. Konkret heißt das, dass der lokale Stromversorger rechtlich verpflichtet ist, alle Haushaltskunden mit Strom zu versorgen. Bei den gewerblichen Kunden greift diese Vorgabe nur bei Mengen unter 10 000 Kilowatt.

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Da die Stadtwerke aber 95 Prozent ihrer Liefermenge, aufgrund ihrer bisherige Kundenzahlen, quasi fix gemacht haben, müssen sie für diese zusätzlichen Kunden Strom „nachkaufen“, und das zu den dramatisch erhöhten Preisen an der Strombörse in Leipzig. „Das mussten wir noch nie machen“, offenbart diese Entwicklung nach Überzeugung von Bias die Schwäche des liberalisierten Strommarktes. Die Energieversorgung tauge nicht als marktwirtschaftliches Spielfeld mit einem künstlich geschaffenen Markt.

Stadtwerke beobachten Wechselkundschaft genau

Klar ist, dass alle Stadtwerkekunden den ungeplanten Stromkauf für diese zusätzlichen Verbraucher bezahlen müssen, wobei überlegt wird, ob man für Neukunden Sondertarife einführt. „Wir beobachten die Entwicklung genau“, ergänzt Bias, dass nach internen Berechnungen Haushalte mit einem Gesamtvolumen von 500 000 Kilowattstunden als Wechselkandidaten betroffen sein könnten. Die gesetzliche Grundversorgungspflicht besteht nur für Verbraucher aus dem Stadtgebiet und den Ortsteilen.

Stadtwerkechef fordert bei der Energiewende eine ehrliche Politik

Angesichts der Entwicklung auf dem Energiesektor und zur Sicherstellung der Versorgung will Bias die Laufzeit der Lieferverträge von zwei auf drei Jahre verlängern, wobei die Beschaffung insgesamt schwieriger werde. Die aktuelle Situation mit explodierenden Energiekosten ist für den Stadtwerkechef auch Beleg, dass die Energiewende zwar Ziele vorgegeben hat, aber absolut unausgegoren und voller Lippenbekenntnisse ist. „Man muss sich ehrlich machen“, fordert Bias von der Politik.