Wenn für die meisten Schwimmbegeisterten im Herbst die Badesaison endet, fängt die Saison für die Winter- oder Eisbader gerade erst an. Lucy Reiss aus Pfullendorf hat während der Pandemie das Eisbaden für sich entdeckt.
Die Eisbadesaison startet Ende September mit dem sogenannten Anbaden. Lucy Reiss: “Es geht einfach darum, mit dem Wasser abzukühlen.“ In einer kleinen Gruppe von vier bis fünf Frauen geht die 37-jährige Pfullendorferin den ganzen Winter über einmal pro Woche im Jettkofer See oder an der Sießener Säge schwimmen. Aus Sicherheitsaspekten gehen die Winterbader nie alleine ins Wasser. „Es kann ja immer etwas passieren und gemeinsam ist es einfach netter“, begründet Lucy Reiss. Während der Jettkofer See nicht richtig zufriert, müssen die Winterbader an der zugefrorenen Sießener Säge schon einmal mit dem Vorschlaghammer einen Zugang zum Wasser herstellen. „Das ist ganz schön anstrengend, aber es erspart das Aufwärmtraining, weil du da gleich warm dabei wirst“, lacht die Eisbaderin.

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde Lucy Reiss durch eine Bekannte aufs Winterbaden aufmerksam gemacht worden. „Dann bin ich das erste Mal mit und fand es super“, erinnert sich die Pfullendorferin. Während der pandemiebedingten Einschränkungen, Bäderschließungen und beruflichen Mehrbelastungen durch die Pandemie fand die Krankenschwester, die bei einem ambulanten Pflegedienst arbeitet, im Eisbaden einen mentalen Ausgleich. „Im Wasser spürte ich einen absoluten Seelenfrieden“, stellte sie fest. Was sich während der Woche an Stress und Ballast ansammelt, lässt sie am Ende der Woche buchstäblich „im Wasser“.

Unabhängig von den Wasser- und Außentemperaturen oder dem Wetter steigen die Winterbader ins kühle Nass. Die Aufenthaltsdauer im Wasser richtet sich nach der Wassertemperatur des bei Ankunft ins Wasser geworfenen Thermometers. Beim Aufwärmtraining bewegen die Eisbader ihre Gelenke durch, bringen den Kreislauf in Schwung und bereiten sich mental auf die Kälte vor. Wenn es kälter wird, tragen die Winterbader zum Badeanzug Neoprenschuhe, Neoprenhandschuhe und eine warme Mütze. Beim Winterbaden zentralisiert der Körper die Körperwärme auf die wichtigen Organe. Hände und Füße sind am weitesten vom Herz entfernt und daher am wenigsten durchblutet. „Das schmerzt“, beschreibt die leidenschaftliche Winterbaderin. Weil der Körper über den Kopf am meisten Wärme verliert, tragen sie zudem eine warme Mütze.

Ins eiskalte Wasser zu steigen kostet die Winterbader jedes Mal aufs Neue Überwindung. Beim Eintauchen und Schwimmen atmen sie „mit dem Wasser“. Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen und Kälteallergien sollten das Winterbaden allerdings unterlassen. Für sie könne Kneippen eine schonende Alternative sein.
Nach dem Bad benötigt der Körper viel Energie, um sich wieder zu erwärmen. Nach dem Abtrocknen der krebsroten Körper ziehen die Eisbader schnell wieder ihre mit einer Wärmflasche vorgewärmte Kleidung wohlig warm an, wärmen den Körper von innen mit Tee. Der Schmerz, den die Winterbader im Wasser empfinden, wird in Euphorie umgewandelt. „Das macht süchtig. Der Körper wird mit Endorphinen geflutet und du bist voller Kraft“, sagt Lucy Reiss.