Die Stadt Pfullendorf hat zum 1. September das evangelische Kindertagheim übernommen. Die Einrichtung heißt nun Familienzentrum am Jakobsweg. Der Wechsel der Trägerschaft wurde am vergangenen Montag mit einer Schlüsselübergabe gefeiert.
Ein bisschen Wehmut
Etwas Wehmut war schon dabei, als der evangelische Pfarrer Sebastian Degen die Schlüssel an Pfullendorfs Bürgermeister Ralph Gerster überreichte. Schließlich hatte die evangelische Kirchengemeinde 50 Jahre das Kindertagheim betrieben und es über diesen langen Zeitraum „mit Herz und Glauben begleitet“, sagte Degen, nachdem die Kinder im Morgenkreis die offizielle Übergabe mit ihrem Lied vom Sommerfest eröffneten. Doch Sebastian Degen ist überzeugt davon, dass der Kindergarten in städtischer Hand auch weiterhin ein Ort der Geborgenheit, des Lachens und der Freude bleibe, auch wenn die Übergabe durchaus auch kritisch betrachtet worden sei.

Schreiben an die Eltern
Vor knapp einem Jahr hatten Degen und Jörg Pathel, Vorsitzender des evangelischen Kirchengemeinderats, die Eltern der 70 Kinder über die Kündigung der Trägerschaft zum Ende des Kindergartenjahrs 2024/2025 schriftlich informiert. Sie begründeten die Entscheidung unter anderem damit, dass sich die Trägerin mit vielen Herausforderungen – darunter vor allem der bauliche Zustand des Gebäudes – konfrontiert sehe und feststellen müsse, dass diese Herausforderungen die Kirchengemeinde finanziell und personell überfordern würden.
Keine Entscheidung gegen das Tagheim
„Leider ist die Situation in unserem Kindertagheim so, dass viele der baulichen Standards nicht oder zumindest – für unseren Anspruch an die Qualität der Kinderbetreuung – nicht ausreichend erfüllt werden können“, so Degen, der gleichzeitig betonte, dass es sich bei dieser Entscheidung nicht um eine Entscheidung gegen das Kindertagheim, gegen die dort betreuten Kinder Kinder oder gegen die dort beschäftigten Mitarbeiter handle. Im Schreiben an die Eltern wurde deutlich gemacht, dass es höchste Priorität sei, den Weiterbetrieb der Einrichtung unter neuer Trägerschaft sicherzustellen.
Und die Stadt Pfullendorf war nach der von der Kirchengemeinde angekündigten Trennung von Anfang an gewillt, den Betrieb weiterzuführen und das Personal zu behalten. Bei den Verhandlungen ging es aber auch um die Kosten. Denn die Kirchengemeinde war zwar Eigentümerin des Gebäudes, das Grundstück jedoch gehört der Stadt Pfullendorf, die sich wiederum entsprechend der Betriebskostenvereinbarung an den Investitionsausgaben sowie an den Betriebsausgaben für den laufenden Betrieb beteiligt hatte.
Gemeinderat stimmt Übernahme zu
Klarheit über den Wechsel der Trägerschaft herrschte dann Ende November 2024, als der Pfullendorfer Gemeinderat in öffentlicher Sitzung der Übernahme des Kindergartens zustimmte, die Ralph Gerster als einen Entschluss der Vernunft bezeichnete. Es folgten Gespräche mit den knapp 20 Erzieherinnen und Erziehern, die nun alle bei der Stadt Pfullendorf zu den gleichen Vertragskonditionen weiterbeschäftigt werden. „Das ist so üblich bei einem Betriebsübergang“, sagte Ralph Gerster auf Nachfrage des SÜDKURIER. Die Gebühren wurden bereits an die Gebührenordnung der städtischen Kindergärten angepasst. Ab diesem Kindergartenjahr gibt es 25 statt wie bisher 20 Schließtage.
„Wir wollen erst einmal eine Bestandsaufnahme machen, wollen aber versuchen, den Standort zu erhalten.“Ralph Gerster, Bürgermeister
Unklar ist indes, ob der in die Jahre gekommene Kindergarten am Jakobsweg erhalten bleibt oder ob er an gleicher Stelle oder womöglich an einem anderen Platz neu gebaut wird. Das ist für die Stadt Pfullendorf als neue Trägerin aber Zukunftsmusik. „Wir werden erst einmal eine Bestandsaufnahme machen, wollen aber versuchen, den Standort zu erhalten“, so Gerster, der zuvor die Kinder und das Personal herzlich willkommen hieß. In seiner kurzen Rede verglich er die Übernahme mit dem Pilgern auf dem Jakobsweg, auf dessen Strecke es manchmal auch Widrigkeiten gebe. „Wir wollen trotzdem diesen Weg gemeinsam gehen“, ergänzte Gerster, der von einem vertrauensvollen Miteinander mit der Kirche sprach. Das Zopfbrot in Form eines Schlüssels als Geschenk für den Bürgermeister bekamen die Kinder dann nach dem Mittagessen zum Nachtisch.