Sandra Häusler

Am Morgen gegen 11.15 Uhr war es soweit: Der 18 Meter hohe Schornstein der ehemaligen Brennerei im Walder Ortsteil Glashütte fiel als letztes Bauwerk auf dem einstigen Anwesen August Batsch. Drei Wochen lang war das Abrissunternehmen Sauter aus Hettingen- Inneringen mit dem Abbruch des weitläufigen Gebäudekomplexes beschäftigt gewesen. "Das Abbrechen war schlimm", sagte August Batschs Urgroßenkelin Karin Schmidt aus Denkingen. Sie begleitete die Abbrucharbeiten schweren Herzens.

Die Mitarbeiter des Abbruchunternehmens sortierten akribisch die unterschiedlichen Baustoffe und transportierten sie ab. So schufen sie Platz für den Fall des stattlichen Schornsteins. In der Kindheit Karin Schmidts war das Gebäude bereits die Brennerei, mit einem riesigen Kupferkessel in der Mitte des Raums. Dort wurden sowohl Kartoffelschnaps als auch Obstbrände gebrannt. Drei oder vier Jahre alt sei sie gewesen, als die großen Kupferkessel nach der Aufgabe der einstigen Brennerei und dem Verkauf des Brennrechts Mitte der 60er Jahre ausgebaut und an eine andere Brennerei verkauft wurden, erinnert sie sich.

Karin Schmidt ist mit ihren beiden Geschwistern und zwei Cousins auf dem Anwesen aufgewachsen, das bis in die Mitte der 70er Jahre landwirtschaftlich genutzt wurde. "Wir mussten von Kind an auf dem Hof mitarbeiten", erinnert sie sich. Das Anwesen war groß, es wurde eine stattliche Landwirtschaft mit rund 15 Kühen, mit Schweinemast und vielen Rindern betrieben. Auf den Feldern wurden Kartoffeln, Rüben und Getreide angebaut. In der Brennerei wurde später Getreide gelagert und die Schrotmühle untergestellt. "Als Kind war es hier schön", schwelgt Karin Schmidt. Sie erinnert sich gern an schöne Erlebnisse, wie die Versteckspiele im Dorf.

Nach dem Tod der Eltern wohnte Karin Schmidts Bruder Karl Batsch bis zu seinem Tod im Oktober 2014 auf dem Hof. Karin Schmidt erbte das Anwesen. Anfangs hofften sie und ihr Ehemann Hans-Ulrich Schmidt darauf, das 50 Meter lange Wohngebäude mit Scheune und die 15 Meter lange alte Brennerei erhalten zu können. Ein Gutachter stellte jedoch fest, dass die Bausubstanz aller Gebäude des ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesens und der einstigen Glasbläserei so schlecht ist, dass nur der Abriss sämtlicher Gebäudeteile, inklusive des Wahrzeichens von Glashütte, des Schornsteins, in Frage kommt, berichtet Karin Schmidt. Ursprünglich sei das Gebäude nämlich eine Glasbläserei gewesen, erzählt sie.

Durch eine Hochzeit standen die Allgäuer Glasmacherfamilie Schmid und die Familie Batsch in enger Beziehung. In der Walder Glashütte gehörten die Schmids im 18. Jahrhundert zum Stammpersonal des Betriebs. Die weitverzweigte Glasmacherfamilie Batsch siedelte im Allgäu, in Oberschwaben und im Schwarzwald und spielte auch in Glashütte eine große Rolle. Anton Batsch wurde 1771 als Walder Glasinspektor eingestellt und leitete wohl die Glashütte nach der Auflösung des Kloster Wald bis in die frühe hohenzollerische Herrschaftszeit. Die Tradition des Glasmachens setzte sich in der Familie fort. Mit der Schließung der Glashütte 1882 gaben Batschs die Glasmacherei auf und orientierten sich um. Die letzten Glasmacher aus der Glashütter Familie Batsch waren Eduard Batsch (1818-1879) und sein Sohn Anton (1849-1889). Dies geht aus der Chronik des einstigen Glashütters Wolfgang Wiese, "Glashütte – von der Fabriksiedlung zum Bauerndorf", hervor, die er anlässlich des 300-jährigen Bestehens der Glashütte im Jahr 2001 schrieb.

Der Schornstein war erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut worden, erinnert sich Robert Erath aus Glashütte, einstiger Kämmerer der Gemeinde Wald, an dieses Industriedenkmal. Baupläne aus dem Jahr 1912, die im Archiv der Gemeinde Wald aufbewahrt werden, belegen dies. "Das Anwesen Batsch ist ein stattlicher Gebäudekomplex. Ein Abriss wird die Ansicht von Glashütte verändern", sagt Thomas Loch, Ortsvorsteher von Kappel-Glashütte. "Wir bauen wieder etwas darauf", sagt Karin Schmidt. Diesen festen Beschluss habe sie mit ihrem Mann bereits gefasst.

Glashütte

Am 7. August 1701 bat die Äbtissin Maria Jakobe von Bodman von Kloster Wald Fürst Meinrad von Hohenzollern-Sigmaringen, aufgrund des Angebots eines Glasmeisters in dem zum Kloster gehörenden Wald eine Glashütte zu errichten. Zu diesem Zweck wurde der Waldbestand im erforderlichen Umfang abgeholzt. Diese Bitte gilt als Geburtsurkunde der Walder Ortschaft Glashütte. Bereits am darauffolgenden Tag hatte der Fürst die Genehmigung erteilt und die Glashütte konnte ihren Betrieb aufnehmen. Durch den Betrieb der Glashütte wuchs das Dorf stetig. 1830 wurde Glashütte als eigenständige politische Gemeinde anerkannt. 1975 wurde der Ort im Zuge der Gemeindegebietsreform in Baden-Württemberg nach Wald eingemeindet.