Herr Müller, der Konstanzer Stadtsportverband bietet in Zusammenarbeit mit der Mentor-Stiftung und dem Amt für Bildung und Sport einen Vortrag zum Thema Gewalt im Jugendsport an. Wie kam es dazu?

Der Impuls dazu kam durch die Attacke eines Spielervaters auf einen jugendlichen Schiedsrichter bei einem C-Jugend-Freundschaftsspiel im Februar in Litzelstetten.

Da wir beim Stadtsportverband alle Vereinsvorsitzende sind oder waren, ist uns bekannt, dass es Eltern oder Betreuer gibt, von denen eine gewisse Aggressivität ausgeht. Unsere Idee war, den Beteiligten und Verantwortlichen Hilfsmittel an die Hand zu geben, um damit umzugehen. Als Elternteil oder Betreuer ist man oft überfordert und weiß nicht, was man machen kann.

Haben Sie selbst schon Gewalt im Sport miterlebt?

Ja, ich stand als Handballer bei einem Auswärtsspiel auf dem Parkett, als ein Zuschauer aufs Feld rannte, um den Schiedsrichter anzugehen. Im ersten Augenblick glaubt man gar nicht, was man da sieht. Ich bin dann hin, weil ich am nächsten zum Schiedsrichter war, und habe mich dazwischen gestellt, was in dem Moment das Falsche war.

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Warum?

Ich habe versucht, den Mann zurückzudrängen, aber Gewalt gegen Gewalt ist nie die richtige Lösung. Dann kam glücklicherweise auch seine Frau und hat ihn vom Feld geholt. Der Mann war das ganze Spiel schon auffällig.

Gerade junge Spieler oder Schiedsrichter können mit solchen Extremsituationen nicht umgehen, das trifft einen unvorbereitet und hart.

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Ähnliches passierte im März bei einem Spiel in der Fußball-Landesliga, als ein Zuschauer beim Derby zwischen der SG Dettingen-Dingelsdorf und dem Türkischen SV Konstanz aufs Feld in Richtung Schiedsrichter rannte. Wenig später kam es nach dem Kreisliga-A-Spiel zwischen dem SV Allensbach und dem BC Konstanz-Egg zu Ausschreitungen. Auch wenn Sie ein Beispiel aus dem Handball schildern: Kommen solche Vorfälle häufiger im Fußball vor?

Das sind zwar alles Fälle aus dem Fußball, ich möchte aber nochmals betonen, dass das sportartenübergreifende Herausforderungen sind. Da darf man niemanden an den Pranger stellen. Der Fußball ist medial präsenter, da kommt eben auch so etwas öfter ans Tageslicht.

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Wir haben schon Rückmeldungen aus verschiedenen Sportarten bekommen. Die meisten sagen: Das ist ein gutes Thema, aber bei uns passiert das nicht. Man kann solche Vorfälle zwar verurteilen, kann sie aber nie ganz ausschließen – weder bei Hallensportarten noch unter freiem Himmel.

Hat die Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass die Menschen – auch beim Sport – leichter reizbar sind?

Auf jeden Fall. Ich habe neulich mit Robert Grammelspacher (Geschäftsführer der Bädergesellschaft Konstanz, d.Red.) über das neue Schwaketenbad geredet. Er sagte: Man merkt am Sprungbrett, wie viel Energie in den Jugendlichen steckt, die endlich wieder freigelassen werden kann.

Das hat gefehlt, dieses Auspowern im sportlichen Sinne, gerade bei den 16-, 17-Jährigen, die lange keine Möglichkeit hatten, im Verein Sport zu treiben. Das soziale Gefüge hat zwei Jahre lang gefehlt, auch die Werte, die im Sportverein vermittelt werden.

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Richtet sich Ihr Angebot also bevorzugt an Jugendliche?

Nein. Wir wollen alle ansprechen, die am Sport teilnehmen: Aktive, Trainer, Schiedsrichter. Nicht nur aus Konstanz, sondern aus der ganzen Region. Auch an Eltern, die wissen wollen: Wie kann ich damit umgehen? Unser Ziel ist es, Hilfsmittel an die Hand zu geben, um deeskalierend einwirken zu können.

Wie genau läuft das ab?

Wir bieten am 4. Juli, 19.30 Uhr, einen Impulsvortrag mit dem Anti-Gewalt- und Coolness-Trainer Jürgen Berger im Foyer der Schänzlehalle an und versuchen, die Teilnehmer damit abzuholen und ihnen zu sagen, dass sie nicht allein sind. Das Problem, oder besser die Herausforderung ist lösbar. Danach werden an weiteren Terminen für alle, die es wollen, Workshops angeboten, von uns und der Mentor-Stiftung. Ganz wichtig: Das Ganze ist kostenfrei, da wir vom Lago unterstützt werden. Alles, was wir benötigen, ist eine Anmeldung bis zum Vortag, um planen zu können.